„Lebensmittelkauf ist Vertrauenssache“

Traditionelle Bäckermeister behaupten sich gegen die Brotindustrie — und suchen händeringend nach Nachwuchs.

„Lebensmittelkauf ist Vertrauenssache“
Foto: Andreas Fischer

Die Bäckersfrau reicht den Kunden freundlich die Brötchentüte, während ihr Mann hinten die letzten Hefeteilchen in den Backofen schiebt? Dieses Szenario ist in den vergangenen Jahren in allen Stadtteilen immer seltener geworden. Erst eröffneten geschäftstüchtige Bäcker eine Filiale nach der anderen und verdrängten weniger tatkräftige Mitbewerber; dann tauchten immer mehr Backshops auf, in denen tiefgefrorene Teiglinge in den Ofen geschoben werden, die teilweise bis aus Fernost angeliefert werden.

„Lebensmittelkauf ist Vertrauenssache“
Foto: Stefan Fries

Thomas Kinnett betreibt eine Bäckerei in Sonnborn

Sieben Bäckerbetriebe gehören heute noch in Wuppertal zur Kreishandwerkerschaft, dazu kommen zwei „unorganisierte“. Vor 30 Jahren hatte die Bäckerinnung noch 100 Betriebe, vor zehn Jahren 31. Einer, der immer noch so arbeitet wie schon sein Vater und Großvater, ist Thomas Kinnett in Sonnborn. Eine schicke Homepage und gestylte Möbel findet man bei ihm nicht. Dafür Gebäck, das mit genügend Zeit auf traditionelle Weise hergestellt wird. „Ich muss nur vernünftige Ware machen — der Rest kommt von alleine“, findet Kinnett.

Seit er vor 22 Jahren das Geschäft an der Sonnborner Straße eröffnet hat — damals wollte er nicht warten, bis er die Bäckerei seiner Eltern übernehmen konnte — gehe es stetig bergauf. Große Firmen lassen sich ihre Brötchen für ihre Kantine liefern, Stammkunden kommen aus der näheren und weiteren Umgebung. „Aber der Aufklärungsbedarf ist groß“, betont Kinnett.

Er ärgert sich beispielsweise über die Praxis vieler Großbetriebe, den Teig mit verschiedensten Zusätzen so zu verändern, dass er die Maschine nicht verklebt. „Lebensmitteleinkauf ist Vertrauenssache“, betont er und wirbt um das „Kulturgut Brot“. „Die Kundschaft sollte das unterstützen — sonst gibt es bald deutschlandweit nur noch das Gleiche.“

Ein Problem sei es allerdings, genügend Nachwuchsbäcker zu finden. Wer beginnt schließlich gerne um 21 Uhr mit der Arbeit, wenn sich die meisten anderen Menschen gerade auf den Weg ins Bett machen?

„Dafür ist es ein sehr kreativer Beruf. Ich freue mich jeden Morgen über mein Tagwerk“, wirbt Kinnett. Er hat gerade über eine Einstiegsqualifizierung einen jungen Mann gefunden, der nun eine Ausbildung zum Bäcker macht. Insgesamt arbeiten vier Bäcker und fünf Verkäuferinnen in seiner Bäckerei.

Um Nachwuchs für das Bäckerhandwerk geht es auch Bäckerobermeister Dirk Polick. „Wir müssen uns bei den Auszubildenden bewerben“, betont er. Dem typischen 16-Jährigen fällt eher eine Kfz- oder Bankausbildung ein als eine Bäckerlehre. Immer wieder blieben in Wuppertal in den vergangenen Jahren Azubi-Plätze offen.

Dirk Polick sieht jedoch auch viele Vorteile: „Bäcker haben auch tagsüber Zeit, das ist gerade für junge Familien von Vorteil. Und es gibt viele kreative Möglichkeiten.“ In seiner Backstube, die 13 Verkaufsstellen beliefert, muss nur der Teigmacher gegen Mitternacht antreten. Er röstet Saaten und kocht Mehl zur Vorbereitung auf die weiteren Arbeitsgänge. Die meisten der anderen Bäcker beginnen erst um 4 Uhr.

„Manche Teige lassen wir über mehrere Tage gehen — das gibt mehr Geschmack und dadurch brauchen wir in der Nacht nicht so viele Leute“, erklärt Polick. 18 bis 25 Azubis beginnen jedes Jahr ihre Ausbildung zum Bäcker. Immer mehr von ihnen sind Frauen.

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