Lochkarten-Parade auf dem Schornstein

Kai Fobbe richtet seine Video-Installation am Heizkraftwerk Elberfeld neu aus. Arbeit ist zum Jubiläum des Wuppertal Instituts entstanden.

Lochkarten-Parade auf dem Schornstein
Foto: Andreas Fischer

Elberfeld. Wer von Westen kommend an dem Heizkraftwerk der Wuppertaler Stadtwerke (WSW) vorbeifährt, sollte sich von der gelben Lichtprojektion auf dem 198 Meter hohen Schornstein nicht verwirren lassen. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wäre der Schornstein in gelbes Licht getaucht. Erst bei näherem Hinsehen stellt der Betrachter fest, dass dort ein Video abläuft. Zu sehen sind 120 Lochkarten, die einstmals die Jacquard-Webstühle in der Bandweberei Kafka betrieben haben. Der Video-Künstler Kai Fobbe hat die Lochkarten aneinandergelegt und von unten nach oben abgefilmt. Zu sehen ist der zweieinhalbstündige Film in Endlosschleife.

Die Westseite des Schornsteins wird seit dieser Woche bespielt, vorher war die Ostseite des Schornsteins ausgeleuchtet. Am 8. September wurde er erstmals angestrahlt, anlässlich des Festaktes zum 25. Geburtstag des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie wurde der Gebäudeteil in ein besonderes Licht gesetzt. „Auf der Seite hatten wir den gesamten Schornstein ausgeleuchtet, jetzt auf der Westseite beschränken wir uns auf die ersten 100 Meter“, erzählt Fobbe, während er einen übergroßen Beamer auf den Schornstein ausrichtet und die Bretter.

Bis zur ersten rot leuchtenden Flughindernisbefeuerung reicht die Video-Installation mit dem Titel „Jacquard“ nun. Der Wechsel von der Ost- auf die Westseite bringt auch eine Veränderung in der Farbe mit sich. Statt Weiß setzt der 1968 geborene Fobbe nun auf Gelb als Grundfarbe. Auf einer „gelben Textur“ lässt er die Lochkarten „herunterrollen“, weiße Quadrate darin sollen für die „Durchlässigkeit des Turms“ stehen, in der Mitte des Films sind die Löcher der Karten zu sehen. Würden die Lochkarten einen Jacquard-Webstuhl steuern, würde dieser das Muster „Apfel mit Wurm“ weben. Von dieser Gegenständlichkeit ist die Video-Installation an der Kabelstraße freilich weit entfernt: Sie wirkt eher monochrom.

Nach Angaben von Fobbe stehen die Lochkarten für die industrielle Vergangenheit Wuppertals. Zudem handle es sich bei den Karten und der dahinterstehenden Technik — vereinfacht gesagt — um „einen Vorläufer des heutigen Computers“. Die Video-Installation wird ab Einbruch der Dunkelheit bis jeweils Mitternacht zu sehen sein. Das Projekt läuft über mehrere Monate, vermutlich bis Ende 2017.

Für das Wuppertal Institut ist das Projekt ein Bekenntnis zum Standort: „Mit der Lichtinstallation von Kai Fobbe wollen wir ein Zeichen dafür setzen, wie sehr wir uns unserer Heimatstadt Wuppertal verbunden fühlen. Der Turm des Heizkraftwerks ist natürlich ein symbolträchtiger Ort, er steht für Energie, also ein Thema, das auch uns am Institut jeden Tag bewegt“, sagt Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts. Fobbes Projektionen zeigten überdies, „wie unsere Wahrnehmung der Realität sich wandeln kann. Es geht um Transformation, ebenso wie in unserer Arbeit“, erklärt Schneidewind.

Die Video-Installation Fobbes ist in gewisser Weise eine Erweiterung des Projekts „42xxx“, das auf dem Arrenberg seinen Ursprung hat. Bis Ende 2017 will er an 42 Spielorten kurze oder längere Videosequenzen laufen lassen. Bislang seien „knapp 30“ Stationen gefunden; ob — wie von Fobbe ursprünglich gewünscht — in Anlehnung an den Titel insgesamt 42 Stationen bespielt werden können, scheint derzeit eher fraglich. Die Verwirklichung dieses Ziels ist nicht einfach, weil der Künstler auf Sponsoren angewiesen ist, die die Stromkosten übernehmen. Und er braucht Fassaden und einen Raum, um den Beamer aufzustellen.

Die Station am Heizkraftwerk ist zudem etwas Besonderes, weil der Beamer im Freien steht und Wind, Kälte und Regen ausgesetzt ist. Fobbe freut sich, dass er ein extra entwickeltes „Klimagehäuse“ nutzen kann, das den Apparat vor Wettereinflüssen schützt. Erstaunlicherweise gebe es mit den Beamern, die im Freien stehen, weniger Probleme als mit jenen, die sich in Räumen befänden, sagt er.

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