Varresbeck Die goldenen Jahre des Großmarktes sind vorbei

Fünf Händler sind nur noch geblieben. Und demnächst sollen leerstehende Großmarkthäuschen dem Hallenausbau eines Nachbars weichen.

Varresbeck: Die goldenen Jahre des Großmarktes sind vorbei
Foto: Stefan Fries

Varresbeck. Heruntergelassene Rollläden, leere Straßen: Der Großmarkt in Varresbeck hat seine besten Zeiten hinter sich. „Früher war hier alles voll. Da gab es nicht nur Obst und Gemüse, sondern auch Fisch und Fleisch“, erzählt Andreas Mudrack. Bis 1999 leitete er die HKV Kartoffel-Vertriebsgesellschaft auf dem Großmarkt. Noch heute kennt Andreas Mudrak jeden hier, wird freudig begrüßt.

Varresbeck: Die goldenen Jahre des Großmarktes sind vorbei
Foto: Stefan Fries

Doch die Zeiten haben sich geändert: Die alten Tante-Emma-Läden und Gemüsegeschäfte in Wuppertal haben geschlossen oder kämpfen ums Überleben. Discounter bieten teilweise Obst zu Preisen an, die unter dem Einkaufspreis auf dem Großmarkt liegen.

Das macht sich dort bemerkbar: Wo früher Landwirte und Händler dicht an dicht ihre Waren anboten, verkaufen heute nur noch fünf Anbieter. Bektas Dag, Inhaber von Hado Königsfrucht, der Zitrusfrüchte und Kräuter präsentiert: „Als ich vor 16 Jahren anfing, da war hier noch viel los. Jetzt ist es wenig geworden. Die goldenen Jahre sind vorbei.“

Auch die Gewinnspanne sei kleiner geworden. „Es geht oft weniger um die Qualität als um den Preis“, lautet auch die Erfahrung von Manfred Ludwig, Mitarbeiter des Händlers Anton Ritz, der Restaurants bis Aachen und Bielefeld beliefert.

Nur die Josef Jenniges GmbH macht noch Umsatz: Sie hat ihr Firmengelände neben dem eigentlichen Großmarkt und ist Teil einer deutschlandweiten Fruchthandelsgruppe. Jenniges beliefert vor allem einen Discounter und muss sich deshalb — anders als die traditionellen Großhändler — um die tägliche Abnahme weniger Sorgen machen. „Auch die Discounter liefern heute in einer Qualität, die sich nicht mehr von dem Obst- und Gemüsefachhandel unterscheidet“, erklärt Geschäftsführer Christian Treutler. „Die Anforderungen der Discounter an die Qualität sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen.“

Da die Lagerkapazitäten von Jenniges an ihre Grenzen geraten, soll die Halle um 4000 Quadratmeter erweitert werden. Dafür sollen 1512 Quadratmeter leerstehender Großmarkthäuschen weichen. Der Antrag dazu ist gestellt, Christian Treutler wartet nur noch auf die Genehmigung der Stadt. Er hofft, dass bis zum Sommer die neue Halle steht. Das ursprüngliche Großmarkt-Gelände wird dadurch deutlich verkleinert.

Währenddessen stehen die wenigen verbliebenen Großmarkt-Händler um 1 Uhr nachts auf, um jeden Tag aufs Neue die schönsten und leckersten Früchte für ihre Kunden zu bekommen. Noch am Abend oder in der Nacht fährt Willi Games in die Niederlande oder an den Niederrhein, um frische Tomaten, Porree oder bald auch Erdbeeren und Spargel zu holen. Jetzt sei nicht viel los, versichert er.

Im Mai, wenn die Beerenfrüchte reif sind, kommen auch die Restaurantchefs, Altenheim-Mitarbeiter und Gemüseladenbesitzer täglich, damit alles frisch bleibt.

Jetzt im Winter holen viele Kunden nur zwei oder dreimal pro Woche Nachschub. „Der Willi“ ärgert sich über das immergleiche Angebot der großen Supermarktketten. „Die Vielfalt im Handel geht verloren.“ Er arbeitet noch wie vor 20 Jahren. Der einzige Unterschied: Heute können Kunden auch per E-Mail bestellen und müssen dann das Paket nur noch abholen. Die drei bis fünf Mitarbeiter von Willi Games suchen Kartoffeln, Knoblauch, Zwiebeln und Äpfel pünktlich zusammen.

Aber die Rollladen-Motoren, die geschwungenen Inschriften und die Röstmaschine erinnern an alte Zeiten. Von 1928 stammt die Maschine, in der alle zwei Tage Erdnüsse aus Israel geröstet werden. Denn die Erdnüsse direkt vom Baum sind kaum genießbar, schmecken eher nach Bohnen als nach Nuss. Eine halbe Stunde müssen die Erdnüsse in der großen Trommel gleichmäßig geröstet werden — nur ja keine Minute zu lange —, damit sie schmecken.

Für Blumen Schönnenberg ist der Großmarkt vor allem noch Lager. Die Blumen und Pflanzen werden aus den Niederlanden, Frankreich oder Ecuador gebracht und dann direkt an die Läden geliefert. Zum Großmarkt verirrt sich kaum jemand. Nur die Grabschleifen, die werden dort noch per Hand hergestellt: Jede Letter wird einzeln in die alte Maschine gelegt und dann in Silber oder Gold auf breite Bänder gedruckt. Doch bald muss auch diese Maschine umziehen: Sie steht in einem der Häuschen, die abgerissen werden sollen.

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