„Einer hilft hier dem anderen“

Die Bewohner der Konradswüste schätzen ihre Siedlung. Nicht nur wegen der Aussicht, sondern auch wegen des Miteinanders.

„Einer hilft hier dem anderen“
Foto: Anna Schwartz

Konradswüste. Von der Gosenburg kommend, geht die Straße Zur Konradswüste bergauf, immer durch den jetzt schon leicht herbstlichen Wald. Oben angekommen, liegt der Wanderparkplatz an der Haltestelle Schuchardplatz gleich gegenüber der Gartensiedlung Hammesberg. Still ist es. Man hört die Vögel zwitschern. Ein leichter Wind geht. Hier oben scheint der Himmel ein Stück näher zu sein.

Man könnte jetzt zu einer Wanderung aufbrechen, etwa dem Wanderweg X7 nach Beyenburg folgen. Oder einen ausgedehnten Spaziergang ins Murmelbachtal unternehmen. Oder einmal durch den Ortsteil bummeln — auch das lohnt. Bürgersteige gibt es hier nicht. Autos kommen selten. Einmal ein Paketdienst, dann wieder lange nichts. Der erste Blick zeigt lauter Einfamilienhäuser. Die Unterschiede werden auf den zweiten Blick sichtbar. Vor allem bei den Gärten. Da gibt es große, Obstbäume stehen darin, die Hecken darum sind alt, Buche oder Ilex. Da wirkt die Siedlung beinahe etwas dörflich. Da und dort kann man Nutzbeete sehen. Manchmal auch ein Gewächshaus. Dann gibt es kleinere Gärten, Rasen und Blumen. Und schließlich auch Vorgärten, wie man sie in jeder Stadtrandlage finden kann, hübsch und wenig arbeitsintensiv.

Das sind auch Blicke in verschiedene Zeiten, bis in die Anfänge der Siedlung in den 30er-Jahren, als hier Familien mit Kindern herzogen, die sich weitgehend selbst versorgen wollten. Einschließlich Kleinviehhaltung, vielleicht sogar mal ein Schwein. Zeugen, dass die Siedler auf Bauernland bauten, finden sich am Ende einer Straße Richtung Scharpenacken: eine ehemalige Hofstätte, Fachwerkhaus und Stall auf Sockeln aus Bruchstein. Ob man klingeln muss, wenn man fragen will, wie es sich auf Konradswüste lebt?

Unterwegs

im Quartier

Drei Menschen, die aus ihren Autos steigen, sind nicht von hier. Sie holen ihre Hunde und verschwinden zum Scharpenacken. Aber da — eine Frau trägt den Müll zur Tonne. Katarina Glisovic ist 1952 hergezogen. „Schön ist es hier“, sagt sie. „Ruhig. Wir haben frische Luft. Und die Rehe und die Hasen kommen bis vor das Fenster.“ Immer wieder tut sich auf dem Spaziergang weite Sicht auf: auf der einen Seite ins Murmelbachtal, auf der anderen auf den Ehrenberg gegenüber oder ins Tal, in dem die Wupper aus Beyenburg geflossen kommt. Oder auf die A1, je nach Wind ist das Rauschen des Verkehrs zu hören.

Ilse Kahrs topft Blumen um in einen Kübel. Über 30 Jahre wohnt sie schon hier. Sie lobt die Nachbarschaft auf Konradswüste: „Einer hilft hier dem anderen.“ Und da schiebt Marietta Werner einen Kinderwagen vor sich her, ein Dackel und ein Collie begleiten sie. „Mein Elternhaus steht hier“, erzählt sie. „Und dann haben wir selbst hier ein Haus gekauft.“ Im Wagen schläft also ein Konradswüster der dritten Generation. Gut lebe es sich hier, sagt Marietta Werner. Man brauche keine Angst zu haben, wenn man die Kinder auf der Straße laufen lasse. Überhaupt Kinder. Eine Weile habe es ja wenige gegeben. Jetzt würden wieder mehr geboren. Und auch Familien mit Kindern zögen zu.

Manche Bewohner scheinen noch immer einen Hang zum Praktischen zu haben. Nicht nur vor einem Haus stapeln sich Baumaterialien, das eine oder andere wird offensichtlich selbst in die Hand genommen. Und einmal zeugen junge Obstbäumchen und frisch angelegte Nutzbeete davon, dass Konradswüster Tradition auflebt. Hoch über dem Tal liegt dieser unaufgeregt besondere Ortsteil. Nur leicht steigt es noch zum Scharpenacken an — und noch eine überraschende Perspektive: Die Wiesen scheinen direkt in den blauen Himmel überzugehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort