Aufpäppelkur für Schnappi, Soli und Hugo

Jacqueline Drinkmann kümmert sich in ihrer Freizeit um drei verwaiste Mauersegler-Küken. Jedes von ihnen wiegt gerade einmal 47 Gramm.

Aufpäppelkur für Schnappi, Soli und Hugo
Foto: Andreas Fischer

Barmen. Behutsam öffnet Jacqueline Drinkmann Schnappis Schnabel mit einem Finger. „Das nennt man andocken“, erklärt sie. Mit einer Pinzette reicht sie dem kleinen Vogel ein Heimchen, eine Art Grille, an. Vorsichtig bekommt Schnappi das Insekt in den Schnabel geschoben. Das gerade mal 47 Gramm leichte Mauersegler-Küken schlingt ganz hastig. Es scheint zu schmecken. Mit einem fröhlichen Gezwitscher dankt das verwaiste Vögelchen seiner Pflegerin. Bis zu zwanzig Heimchen frisst Schnappi pro Fütterung. Und gefüttert wird alle zwei Stunden.

Jacqueline Drinkmann (27) setzt sich ehrenamtlich für in Not geraten Mauersegler ein. Als von der „Deutschen Gesellschaft für Mauersegler“ gelistete Pflegestelle ist sie bisher Wuppertals einzige Expertin für diese besondere Vogelart. „Die Aufzucht der Küken ist nicht einfach. Finder wissen oft nicht, dass man den Küken kein Wasser gibt. Oft tun sie das und so gut wie sie es auch meinen, gelangt dabei häufig Wasser über die Luftröhre in die Lunge. Das ist lebensgefährlich für die Tiere“, erklärt sie.

In den Sommermonaten verlassen viele Küken ihre Nester. Doch nicht jedes benötigt Hilfe. „Es gibt Ästlinge und Nestlinge. Ästlinge sind voll befiederte Jungvögel. Sie sind zwar nicht mehr im Nest, werden aber von ihren Eltern weiter gefüttert. Das sind zum Beispiel Amseln, Spatzen und Meisen. Die sollte man nicht aufsammeln. Nestlinge sind entweder nackig oder beflaumt. Sie wirken unbeholfen, können nicht hüpfen und werden von den Eltern nicht mehr gefüttert. So ist es auch bei Mauerseglern. Jeder Mauersegler am Boden ist übrigens ein Notfall. Auch ältere Tiere. Denn diese Art hält sich ausschließlich in der Luft auf. Nur zum Brüten landen sie“, so Jacqueline Drinkmann.

Jacqueline Drinkmann über das Verhalten der Mauersegler, wenn sie ihr Idealgewicht aus dem Verhältnis ihrer Flügelspanne zum Körpergewicht ermitteln

Und so sieht die Erstversorgung von in Not geratenen Wildvögeln aus: Im Idealfall hat man einen Karton oder eine Box, in die man eine Wärmflasche legt. Denn wenn die Küken unterkühlen, sterben sie. Tränken und Füttern sollte man zunächst nicht, bis klar ist, um welche Vogelart es sich handelt. „Niemals sollten Jungvögel mit Brotkrümeln, Katzenfutter oder sogar Hackfleisch gefüttert werden. Das führt zu Gefiederschäden“, sagt Jacqueline. Sie empfiehlt über die Webseite www.wildvogelhilfe.org sich nach einem Fund erst zu informieren: „In der Regel weiß man als Laie nicht um welche Art es sich handelt. Dort kann der gefunden Vogel anhand von Bildern identifiziert und die passende aufgelistete Pflegestelle heraus gesucht werden.“ Auch bei Facebook gibt es schnelle Hilfe. In der Gruppe Wildvogelhilfe-Notfälle können sich Finder eines verwaisten Kükens melden.

Neben ihrem Mathematik- und Informatikstudium und einem Nebenjob kümmert sich Jacqueline Drinkmann zurzeit um drei verwaiste Mauersegler-Küken: Schnappi, Hugo und Soli. „Da jeder Vogel in seinem Verhalten anders ist, hat auch jeder seinen eigenen Namen bekommen. Schnappi schnappt mit seinem Schnabel andauernd nach Fingern und ist ein kleiner Vielfraß, Soli kommt aus Solingen und ist eher der Ruhige. Hugo sieht einfach aus wie ein Hugo“, erzählt sie.

Da die kleinen Mauersegler eine Rund-um-Betreuung brauchen, nimmt Jacqueline Drinkmann die Vögel, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt, mit in die Uni. „Dann kommen sie in einer Transportbox mit. Aber das ist die absolute Ausnahme.“

Mehr als drei Vögel gleichzeitig kann die Studentin nicht aufnehmen. Pro Monat kostet das Futter für einen Vogel rund 50 Euro. Zusätzliche Kosten fallen durch Einweghandschuhe, kiloweise Zewa-Tücher (als Kotunterlage) und Vitamine für die Tiere an. „Ich mache das alles ehrenamtlich. So gern ich möchte, aber mehr Vögel kann ich finanziell nicht durchbringen. Wenn mir jemand ein weiteres Mausersegler-Küken dennoch bringen möchte, rate ich dazu, dass sich die Leute an die Mauerseglerklinik in Frankfurt wenden. Die suchen dann nach einer weiteren Pflegestelle in einer anderen Stadt. Gegen eine Futterkostenübernahme kann ich mich natürlich auch um mehr als drei Vögel kümmern“, erklärt sie.

Schnappi, Hugo und Soli trainieren jetzt schon fleißig für ihren ersten Flug. Auch wenn ihr Gefieder noch nicht vollständig ausgebildet ist, üben die Kleinen in einer gesicherten Box in Jacqueline Drinkmanns Wohnzimmer schon das Flattern. „Man kann auch beobachten, wie sie sich mit ihren Ellenbogen am Boden aufstützen und eine Art Liegestütz machen. Das dient den Seglern dazu, ihr Idealgewicht aus dem Verhältnis ihrer Flügelspanne zum Körpergewicht zu ermitteln“, erklärt die Studentin.

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