Einspringen für die Eltern

Einrichtungen im Stadtteil wollen Jugendliche vor dem Abrutschen bewahren. Doch ihre Finanzmittel werden knapper.

Oberbarmen. Oberbarmen gehört zu Wuppertals problematischen Stadtvierteln. Wer dort aufwächst, bekommt früh die oftmals harte Realität zu spüren: Knapp ein Drittel der jungen Erwachsenen zwischen 14 und 25 Jahren lebt wie ihre Eltern von Hartz IV, jeder zehnte Jugendliche ist selber arbeitslos. Hinzu kommt, dass die familiären Verhältnisse in vielen Fällen sehr schwierig sind, erklärt Stefan Kühn, Sozialdezernent der Stadt Wuppertal: "Die Familien haben zum Teil in ihrer Erziehungsfähigkeit abgenommen und geben ihre Probleme an ihre Kinder weiter."

Eingreifen und die Jugendlichen auffangen sollen Einrichtungen wie beispielsweise der "Christliche Verein Junger Menschen" (CVJM), der nach eigenen Angaben täglich zwischen 120 und 140 junge Besucher hat. "Solche Institutionen sind extrem wichtig, um die vorhandenen Erziehungsdefizite zu kompensieren", erklärt Kühn. Was passieren kann, wenn sich niemand um diese Defizite kümmert, hat die WZ kürzlich am Beispiel von Justin, Dennis und Maik berichtet - drei Jugendlichen, die ihre Freizeit meist am Berliner Platz verbringen, in einer Welt voller Drogen, Gewalt und Kriminalität.

Bernd Schäckermann, Leiter des Oberbarmer CVJM, weiß, wie angespannt die Situation ist: "Viele Kinder werden so enden wie die Jungs auf dem Berliner Platz, wenn wir sie jetzt nicht auffangen". Besonders wichtig sei es, früh mit den Jugendlichen zu arbeiten. "Je eher wir anfangen, desto mehr Chancen haben wir", so Schäckermann. Doch genau an dieser Stelle, räumt Stefan Kühn ein, könne man oft nur auf vorhandene Situationen reagieren. Die Zusammenarbeit mit der benachbarten Grundschule im offenen Ganztag beispielsweise gibt es erst seit wenigen Jahren.

"Manchmal laufen wir den Entwicklungen hinterher", sagt Kühn. Auch die Jugendlichen in Oberbarmen bekommen das zu spüren. "In letzter Zeit werden hier viele Spielplätze erneuert", sagt die 15 Jahre alte Ellen, die mit ihren beiden Freundinnen am Berliner Platz auf den Bus wartet. Doch ihre Freundin Nicole (15) ergänzt: "Es tut sich wirklich etwas in Oberbarmen. Aber es hätte früher kommen können und auch mehr sein müssen".

Doch viel mehr wird es in der nächsten Zeit wohl nicht werden, erklärt Stefan Kühn: "Die Stadt schöpft zwar ihre finanziellen Möglichkeiten voll aus, ist mittlerweile aber an ihre Grenzen gestoßen". So hat das Land Nordrhein-Westfalen seine Zuschüsse für die sogenannte offene Arbeit des CVJM seit 2001 um drei Prozent gesenkt - die Kosten hingegen steigen permanent.

"Der Eigenanteil, den wir aufbringen müssen um unsere Arbeit hier zu leisten, wird immer größer", erklärt Schäckermann. "Wir würden gerne viel mehr machen und es wäre auch notwendig". Derzeit habe man Geld für drei Gruppen im offenen Ganztag - Schäckermann schätzt den vorhandenen Bedarf auf vier bis fünf. Was ihm bleibt, ist die Hoffnung. "Wir müssen hier wieder was ändern. In den Kindern steckt unglaublich viel Potenzial." Stefan Kühn setzt seine Hoffnungen auf das Stadtteilprojekt Oberbarmen. "Ich glaube, wenn wir das konsequent umsetzen, dann kann der Stadtteil seine Chancen nutzen." Vorausgesetzt, die Stadt findet einen Weg, um die vom Land jüngst gestrichenen Zuschüsse für das Projekt Soziale Stadt zu kompensieren.

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