Von Betttuch-Figuren auf der Marionetten-Bühne

Müllers Marionettentheater setzt 2010 verstärkt auf ein erwachsenes Publikum.

Wuppertal. Am Anfang war der Mauerfall - die Wende im Ostblock brachte zu Beginn der 1990er Jahre auch den zarten Versuch, eine Städtepartnerschaft zwischen Wuppertal und Jekaterinburg anzubahnen. Als eine Delegation aus der russischen Stadt das Tal besuchte, lernten sich auch Günther Weißenborn und Sergej Georgiev kennen. Langfristiges Ergebnis dieser Begegnung ist die Oper "Mario" - ein poetisches Musiktheaterstück, das im April im Kleinen Schauspielhaus Premiere haben wird. Es ist eines der Höhepunkte im neuen Spieljahr von Müllers Marionettentheater.

Das preisgekrönte Wuppertaler Figurentheater-Haus setzt in Zeiten unsicherer öffentlicher Zuschüsse auf möglichst große Vielfalt - darunter auf ein erweitertes Programm für Erwachsene. Dazu zählt beispielsweise das Gastspiel des Musik-Kabarettisten Uwe Rössler am Freitag - Grünter Weißenborn: "Rössler ist ein Improvisationsgenie" - aber eben auch die Oper Mario.

Die Kammeroper ist nach einer gleichnamigen Novelle entstanden, die Georgiev eigens für Müllers Marionettentheater verfasst hat. Auf den erwähnten Besuch in Wuppertal - Weißenborn und seine Frau Ursula verstanden sich gleich gut mit dem russischen Autoren und Comic-Zeichner - folgte ein Gastspiel des Marionettentheaters in Jekaterinenburg. Das war 1994. Weißenborn erinnert sich: "Wir haben zwei Wochen bei ihm in seiner Plattenbau-Wohnung gewohnt. So eine Gastfreundschaft ist mir davor und danach nie wieder begegnet." Aus Sympathie wurde Freundschaft, Georgiev schrieb seinen "Mario" - und nun, 16Jahre später, ist das dazugehörige Stück bühnenreif.

Und es ist eine für ein Figurentheater ungewöhnlich große Bühne, die das Marionettentheater da im Kleinen Schauspielhaus bespielt. Elf mal acht Meter sind mit Leben zu füllen - das erfordert große Marionetten, figurenbauerischen Erfindergeist und eine besonders durchdachte Kulisse. Deren zentrales Gestaltungs-Element sind - Betttücher. Sie geben der großen Bühne Raum und Perspektive, sie sind mal Hintergrund, mal Kostüm für Figuren, mal eigenständige Akteure. Weißenborn: "Daran haben wir lange gefeilt." Damit die aufwändige Kulisse auch realisierbar ist, braucht das Theater übrigens die Unterstützung der WZ-Leser (siehe Kasten).

Die Handlung des einstündigen Stücks dreht sich um den Jungen Mario, der, fasziniert von der Stimme eines Sängers (verkörpert von Thomas Laske), zu einer Reise durch die Welt der Phantasie aufbricht und dabei die Macht des Gesangs erfährt. Eine poetische Geschichte, die zwar familientauglich ist, aber sich doch in erster Linie an ein erwachsenes Publikum richtet.

Für die Kinder hat Weißenborn seinen Pinocchio wieder hervorgeholt, das Stück aber grundlegend verändert. "Das war depressiv - der hat ja alles falsch gemacht. Bei mir macht der jetzt alles richtig und schiebt seine durchs Lügen lang gewordene Nase einfach zurück." Das Stück aus dem Theaterkoffer kann in Kindergärten und Schulen gespielt werden, aber auch im Haus am Neuenteich - wie Weißenborn überhaupt aufgrund positiver Publikums-Reaktionen seine Wander-Inszenierungen verstärkt "zu Hause" zeigen will.

Auch die zweite Kinderpremiere kommt aus dem Koffer. Beim "Piratenschatz" dürfen die Kinder mitmachen. "Das Piratenkind muss alles lernen, was es als Pirat können muss: Goldmünzen zählen, mit dem Messer im Mund klettern", erzählt Weißenborn. Ein Krake erfüllt das Kuschelbedürfnis des Piratenjungen. Die Kinder lärmen dazu mit kleinen Instrumenten.

Dazu gibt es diverse Workshops, einen Theater-Wettbewerb für Kinder im Juli und auch ein großes Kinder-Gesangs-Projekt im Sommer in Düsseldorf. Darauf freut sich das Ehepaar besonders: "Das sind unheimlich rührende Erlebnisse, wenn 2000 Kinder gemeinsam singen."

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