Tanztee war gestern, Tanzparty ist heute

Das Wuppertaler Ehepaar Fern forderte einst im Fernsehen die Nation zu Cha, Cha, Cha und Foxtrott auf. Inzwischen geht es auf dem Parkett lässig zu.

Wuppertal. Wiegeschritt, Cha, Cha, Cha — so lernen Generationen von Tanzschülern den Grundschritt. Den Blick fest auf die eigene Füße gerichtet, treten sie dennoch dem Partner auf die Zehen. Mehr Eleganz und Leichtfüßigkeit versuchte in den 60er Jahren bereits das Ehepaar Fern in die Tanzstunde zu bringen. Mit der Fernsehserie „Gestatten Sie?“ brachten Helga und Ernst Fern das Parkett ins Wohnzimmer und forderten die Nation zu Cha, Cha, Walzer und Foxtrott auf. Neben den Klassikern standen auch Modetänze wie Skate und Hoppel Poppel auf dem Lehrplan der Debütanten. Die Sendung ist derzeit abends unter anderem auf Bayern Alpha und Einsfestival zu sehen.

Tanztee war gestern, Tanzparty ist heute
Foto: A. Fischer

Ende der 60er-Jahre eröffneten die Ferns eine Tanzschule am Döppersberg. Bis heute vermittelt dort ihre Tochter Sonja Schritt für Schritt den Weg zum taktvollen Miteinander. „Inzwischen ist alles viel lockerer geworden. Die Leute kommen in Jeans und tanzen zu aktueller Pop-Musik“, berichtet Sonja Fern-Gaßmann. Sie hat beim richtigen Dreh im Umgang mit ihren Schülern viel von ihrer Mutter gelernt. „Sie war damals schon ultramodern. Sie hat Jungs und Mädels zusammen bestellt, sie sich gegenseitig vorgestellt und losging es.“

Ganz adrett in Anzug und Abendrobe schweben die Paare heute nur noch bei Bällen über das Parkett. Zur Tanzparty am Samstagabend ist die Kleiderordnung ganz lässig, die Atmosphäre längst nicht mehr so steif wie einst beim Tanztee. „Das war das, was meine Großmutter vor 50 Jahren gemacht hat. Das war noch am Nachmittag und es gab wirklich Tee. Die Zeiten sind vorbei“, sagt Kristin Bellinghausen. Sie setzt in der ehemaligen Tanzschule Koch die Familientradion fort.

Nur eines hat sich nicht verändert: Tanzen ist weiblich. Die Herren sind häufig nur mit Mühe auf das Parkett zu bewegen. „Bei meiner Großmutter kamen vor allem die Teenager. Das hat sich verändert, weil Jungs in dem Alter nicht tanzen gehen“, sagt Kristin Bellinghausen. Viele lernten die ersten Schritte daher eher mit Mitte 20, wenn die Freundin sie auffordert.

Sonja Fern-Gaßmann gleicht den Männermangel in ihren Kursen mit Hospitanten aus. „Wenn das ausgeschöpft ist, nehme ich keine Schülerinnen mehr an, damit die Mädchen nicht miteinander tanzen müssen.“ Gabi Schäfer bietet in ihrer Schule Kurse nur für Frauen an. „Das ist sehr gefragt“, berichtet sie. Die Damen lernen dort vor allem Partytänze, bei denen sie nicht auf einen Partner angewiesen sind. „Viele Männer haben Vorurteile. Doch wenn sie erst einmal hier sind, dann kommt die Begeisterung oft von alleine. Denn es ist ein wunderbares Hobby zu zweit.“ Für Kristin Bellinghausen ist die gemeinsame Bewegung zur Musik eine Leidenschaft, die sie auf eine einfache Formel bringt: „Tanzen trainiert den Körper, schult den Geist und wärmt das Herz.“

Da die komplexen Bewegungsmuster lockeres Gehirnjogging mit hohem Spaßfaktor sind, bietet die Tanzschule Asfahl neben der Party am Samstag zweimal im Monat traditionellen Tanztee für Senioren an. „Da geht es etwas gediegener zu. Da kommen nicht nur Schüler aus unseren Kursen hin, sondern auch Leute, die bei Kaffee und Schwofschritt den Nachmittag genießen möchten“, berichtet Tanzlehrerin Heike Kronschnabel.

Disco Fox und Salsa dominieren die Tanzpartys bei Thilo Lubeck. „Da reisen Gäste aus dem gesamten Ruhrgebiet an und jeder tanzt, was er kann“, sagt Inhaber Thilo Lubeck. Er will vor allem den Spaß auf das Parkett bringen.

Leidenschaft ist der Beruf für Sonja Fern-Gaßmann. Sie hat nach dem Abitur die Ausbildung bei ihrer Mutter gemacht und die Schule nach deren Tod weiter geführt. Ihr Vater stand noch bis vor einigen Jahren auf dem Parkett und unterrichtete. „Er hat sich zurückgezogen, ist mit über 80 Jahren aber noch kerngesund.“

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