Selbstversuch: Der steinige Weg zur Bergischen Kaffeetafel

Die bergische Kaffee-Kultur ist von legendärem Ruf. Ihre Rezepte nachzubacken, ist aber gar nicht so einfach, wie die WZ erfuhr.

Wuppertal. "Einladung zur bergischen Kaffetafel" heißt das neue Buch der Grafikerin Andrea Jungbluth-Zehnpfennig. Waffeln, Kartoffelbrot oder Mutzen - was Jungbluth-Zehnpfennig an Spezialitäten vorstellt, liest sich irre lecker. Doch was geben die Rezepte tatsächlich her - und vor allem: Sind die Anleitungen für Anfänger verständlich? Die WZ hat keine Mühen gescheut und sich für einen Selbsttest hinter den Mixer geklemmt.

Samstag, 18 Uhr: Das Wichtigste zuerst. Wer zur bergischen Kaffetafel laden will, braucht Gäste. Die werden für Sonntag um 14 Uhr eingeladen, freuen sich auf den Nachmittag, aber geben sich skeptisch: "Du backst Rosinenstuten? Ist das nicht mit Hefe?" Kommen wollen trotzdem alle. Danke für das Vertrauen.

Sonntag, 10 Uhr: Noch vier Stunden, bis die Gäste eintreffen. Das Rezept für den Rosinenstuten liest sich leicht. Mehl in eine Schüssel sieben, zerbröckelte Hefe dazugeben, Zucker sowie eine Tasse lauwarme Milch - und alles verrühren. Das ist staubig, aber einfach. Der Mixer läuft auf Hochtouren - doch, o weh, das Gemisch klumpt. Keine Chance. Der Bäcker trägt den Teig dennoch, so wie er ist, ins Wohnzimmer. Da bullert die Heizung auf höchster Stufe, schließlich braucht Hefe viel Wärme. Das weiß auch ein Anfänger.

Eine halbe Stunde und dreimal Spicken später. Der Vorteig sollte jetzt auf die doppelte Größe angewachsen sein - ist er aber nicht. Die schlimmsten Vermutungen bestätigen sich: Hefe hasst Back-Amateure.

Sonntag, 11 Uhr: Immer noch hat sich der Teig keinen Zentimeter weit bewegt - und die Gäste kommen bald. Da hilft nur eins: einfach weitermachen. Zum Vorteig kommen Butter, Ei, Rosinen sowie die Reste von Zucker oder Milch. Die Reste? Auweia! Stimmt, da steht’s ja. 360 Milliliter müssen es sein. Eine Tasse ist schon weg. Hmm, fehlen etwa 300 Milliliter, schätzt der Nachwuchs-Bäcker. Ein Messbecher wäre jetzt gut, aber ein Pils-Glas vom Hamburger Fischmarkt tut’s auch. Das fasst genau 0,3 Liter. Nach dem Umrühren ist der Teig cremig und glatt und mutet an wie eine Hochglanzabbildung aus einem Magazin für fleißige Hausfrauen. Wunderbar! Jetzt muss der Teig wieder ruhen.

Sonntag, 11.30 Uhr: Ha, geschafft! Der Teig wölbt sich jetzt über den Schüsselrand und der Anfänger beglückwünscht sich selbst. Mit viel Liebe und Geduld wird also jeder zum Spitzenbäcker. Dumm nur, dass der Anfänger das Rezept zu Beginn nur überflogen hat - da steht plötzlich was von Kastenform! An einem verkaufsgeschlossenen Sonntag lässt sich die nicht einfach so auftreiben. Also muss das Kuchenblech herhalten. Nochmal Wärme und warten, dann kann der Stuten endlich in den Ofen.

Eine Stunde später: Aus dem Ofen duftet es herrlich.

Sonntag, 13 Uhr: Der Anfänger kann den Stuten endlich aus dem Backofen ziehen. Na gut, die Kruste ist ein wenig kross, aber sonst ist das gute Stück eins-A gelungen. Das sagen am Nachmittag auch die Gäste und ignorieren die Kalorienangabe - ganz getreu dem Motto der Bergischen Hausfrau: "Looß mr ens leichtsinnig seng on Muuzen backen." Okay, die Wette gilt! Mutzen sind am nächsten Sonntag an der Reihe.

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