Schülerinnen vom Nocken wollen jetzt Vorbilder sein

Das neue Projekt bringt Schülern Teamgeist und Konfliktbewältigung bei, um das Unterrichts-Klima zu verbessern.

Wuppertal. Die neun Schüler haben die Augen verbunden und drehen sich im Kreis - die Orientierung im Klassenzimmer ist jetzt futsch. Nun gilt es, die Türklinke zu finden. Vorsichtig wird sich vorangetastet, um nicht über die Stühle und Tische zu fallen. Die Schüler besuchen größtenteils die neunte Klasse der Hauptschule Vohwinkel. Was hier auf nach lustigem Blindekuh-Spiel aussieht, soll an der Hauptschule das Miteinander besser machen.

Die Unterrichtssituation an der Schule gestaltet sich zunehmend schwierig, heißt es von Seiten der Schulleitung. Von "Null-Bock"-Mentalität, ist die Rede, mangelndem Wir-Gefühl bei einem Migranten-Anteil von 90Prozent unter den Schülern, von Gewalt und Unterrichts-Störungen entwickelt. Abhilfe schaffen soll das neue Projekt Dynamo, dass mit Hilfe des Lions Clubs an der Schule etabliert worden ist (siehe Kasten).

"Die Schüler werden von uns ausgebildet, um anschließend eine Vorbildfunktion für alle anderen Schüler einzunehmen", sagt Timo Sternemann. Er ist Sportpädagoge und arbeitet mit den Schülern. Die tasten sich immer noch durch den Klassenraum und fangen jetzt an miteinander zu sprechen: "Hier ist ein Fenster, hier bin ich falsch", sagt einer. "Das ist eine Wand, aber ich weiß nicht, welche", schallt es aus der anderen Richtung. Sinn der Übung: Die Schüler trainieren Fähigkeiten wie Rücksicht, Kommunikation und Teamgeist.

Ausgewählt für das Projekt wurden 13 Schüler, die schon von Anfang an ein gewisses Ansehen unter den Mitschülern hatten - "aus welchen Gründen auch immer", sagt Sternemann. Gemeint ist: Sie können auch Wortführer ihrer Cliquen geworden sein, indem sie sich bislang gerade durch nicht sonderlich regelkonformes Handeln ausgezeichnet haben.

Dynamo will ihnen Methoden zeigen, etwa mit Frustration und Problemen angemessen umzugehen, ohne dass das in Aggression umschlägt. Da sie von ihren Mitschülern akzeptiert sind, sollen sie ihre Erfahrungen in die gesamte Schülerschaft weitertragen. Die Projekt-Teilnehmer sind sie sich einig: "Wir wollen erreichen, dass sich alle besser verstehen."

Gretnesha Rama etwa hat die Idee einer Gruppe, die sich für alle Schüler einsetzt, von Anfang an gefallen. Bedenken wegen der Verantwortung als Vorbild hat sie nicht. "Ich bin ja nicht alleine", sagt sie. Sie und ihre haben Spaß an den verschiedenen Übungen.

Manchmal kommen sie aber auch an ihre Grenzen. Dem Partner einfach über längere Zeit in die Augen zu schauen, kann da schon zur Herausforderung werden. "Die Schüler sollen so eine andere Art von Nähe zulassen", sagt Sternemann. Eigentlich sind sie es gewohnt, sich in der Gruppe eher durch Prügeln oder Beschimpfen durchzusetzen. Jetzt soll ein positives Gruppengefühl entstehen, die Schüler sollen die um sich selbst geschaffene Mauer aus oberflächlicher Coolness ablegen. Am Ende des 26 Wochen dauernden Projektes sollen sie dann echte Verantwortung übernehmen, beispielsweise bei der Planung eines Sportfestes. Ein erster, kleiner Schritt ist gemacht: Am Ende haben sie alle die Türklinke gefunden. Als Team, versteht sich.

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