Organspende: Leben mit einer fremden Lunge

Vor sieben Jahren wurde Kerstin Klee durch eine Organspende das Leben gerettet.

Wuppertal. Kerstin Klee weiß, dass sie einem fremden Menschen viel zu verdanken hat. Einem Menschen, der wollte, dass nach seinem Tod ein anderes Leben gerettet wird. Ohne die Lungentransplantation am 12. November 2001 - ein Datum, das sie nie vergessen wird - würde sie heute nicht mehr leben.

Sich an ihre Krankheitsgeschichte zu erinnern, fällt Kerstin Klee nicht schwer. "Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich darüber spreche", erklärt sich die 40-Jährige. Mit einem Jahr stellen die Ärzte bei der Wuppertalerin die schockierende Diagnose: Mukoviszidose. Doch erst im Alter von 19 Jahren bemerkt sie, dass ihre Lunge mit ihrem sportlichen Lebensstil nicht mehr Schritt halten kann. "Ich bekam Probleme mit der Atmung, japste bereits nach ein paar Treppenstufen nach Luft", erinnert sich Klee.

Über die folgenden zehn Jahre hinweg verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand stetig, bis es im Jahr 1999 dann zum großen Einbruch kommt: Es ist ein Samstag, an dem die junge Frau aus Luftnot eine Panik-Attacke bekommt und ins Krankenhaus gebracht wird. "Ich wurde 24 Stunden mit Sauerstoff versorgt und bekam einen Tank mit nach Hause, ohne den ich es gerade mal unter die Dusche schaffte." Der Sauerstoffschlauch wird zu Klees täglichem Begleiter. "Aber es ging mir viel besser, ich fühlte mich gut, war nicht mehr so müde", sagt Klee.

Umso unvorbereiteter trifft sie die Aussage ihres Arztes: "Wenn es so weiter geht, gebe ich Ihnen nicht mehr als fünf Jahre zu leben." Zunächst kann sich die technische Zeichnerin nicht mit dem Gedanken anfreunden, tatsächlich über eine Lungentransplantation nachzudenken. Doch die tägliche Therapie, Inhalationen und Atemübungen nehmen immer mehr Zeit in Anspruch, die wenigen Stunden am Tag, in denen sie sich "frei fühlen kann", werden immer weniger. "Ich habe dann über die Frage meines Arztes nachgedacht, ob ich mein Leben noch als lebenswert erachte - und ich entschied mich für ein Nein."

Im Jahr 2000 lässt sich Klee auf die Warteliste für ein Spenderorgan setzen. Ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich, die Ärzte entscheiden, dass sie auf die Dringlichkeitsliste kommt und im Deutschen Herzzentrum in Berlin auf das Organ warten kann. Zuspruch und Trost findet sie bei ihrem Ehemann Michael und ihren Eltern, die in "Wechselschichten" an ihrem Bett stehen.

Am 12. November 2001, ein Sonntag, abends um 23 Uhr steht plötzlich der Arzt mit den erlösenden Worten vor ihr: "Wir haben eine neue Lunge für Sie." Klee wird für den Eingriff vorbereitet, ihre Gefühle schwanken zwischen Angst und Erleichterung. "Im OP-Vorraum musste ich dann das Kuscheltier meines Mannes abgeben." Ihre sonst so mädchenhafte Stimme ist zittrig, ihre Augen glasig. "Das fiel mir wirklich schwer", entschuldigt sie ihre Gesprächspause.

In den folgenden Jahren lernt Kerstin Klee mit der neuen Lunge und mit der Angst zu leben, dass jederzeit das fremde Organ vom Körper abgestoßen werden könnte. "In der ersten Zeit hatte ich das Gefühl, meinen Körper nicht mehr zu kennen, seine Signale nicht mehr richtig deuten zu können. Macht meine neue Lunge Probleme oder ist es nur die Narbe, die zwickt?"

Trotz der anfänglichen Angst, geht sie heute nicht zimperlich mit ihrem Körper um: Sie fährt leidenschaftlich gern Rad, geht joggen, spielt Volleyball - und schmeißt sich beim Hechtbagger auch mal in den Dreck. "Alles andere wäre ja auch halbherzig", sagt Klee lachend.

Von ihrem Spender weiß sie nur, dass er ein junger Mensch gewesen ist. "Er war bestimmt sportlich", vermutet sie.

Als vor 40 Jahren Mukoviszidose diagnostiziert wurde, sagten die Ärzte, Kerstin Klee habe Glück, wenn sie sechs Jahre alt werde. Die vergangenen Jahre nach der Organtransplantation beschreibt sie als "geschenkte Jahre". "Ich möchte mein Leben so lange es geht genießen. Alles andere schau’n wir halt mal."

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