Klappstuhlfest: Ein „Ort“ voll tierischer Laute

Zum zehnten Mal quakte das Daxophon in Peter Kowalds einstiger Wohnung.

Leverkusen. Es ist ein intimer "Ort" mitten im Luisenviertel. Wo der Freund beim Freund spontan vorbeischaut. Platzmangel in der noch so kleinen Wohnung? Kein Problem. Denn: Einen Klappstuhl hat der Gastgeber immer parat - oder wie am Donnertagabend sogar 70 Behelfshocker.

Die Party ist groß. Immerhin: Das "Klappstuhlfest" feiert in diesem Jahr Jubiläum. Als "Geschenk" präsentierten Künstler Überraschendes aus der europäischen Musik- und Performance-Szene. Den Anfang machte: Das Duo Ganesh Anandan (Kanada/Indien) und der Wuppertaler Hans Reichel (Daxophon) - später gesellten sich noch die portugiesischen Improvisationsmusiker Joana (Klavier) und Eduardo Raon (Harfe) musikalisch dazu.

Wer singt denn da? Alle recken die Köpfe. Aber nein, das kann nicht sein. Schließlich streicht Reichel kunstvoll mit dem Geigenbogen über die Saiten des so genannten "Daxophon" - und singt nicht. Er ist derjenige, der dieses skurrile Instrument erfunden hat. Mittlerweile, so scheint es, hat das sogar ein Eigenleben entwickelt, singt es "Ah" und "Oh", gurgelt und rülpst. Dann und wann klingt das verblüffend menschlich und oft zum Schreien komisch.

Tierische Laute hört der Zuhörer, schließt er die Augen und lässt der Phantasie freien Lauf: Gezwitscher eines Vogels, das Zirpen einer Grille, Grunzen eines Schweines und Wiehern eines Pferdes. Das findet sich auch im Setting wieder: So heißen die Songs etwa "Bird talk", "Amphibian" oder "Songbird". "Lustig", flüstert ein Gast dem Nachbarn ins Ohr, als das Instrument plötzlich "quakt".

Das Avantgarde-Duo fabriziert im "Ort" eine Musik zwischen absurder Komik und wildem Klangexperiment. Denn das "Daxophon" kann ebenso wohlig glucksen und kehlig summen wie unangenehm schreien. Erdig stampfender Ragtime ist dabei ebenso drin wie bedrohliches Gebrumme - mal schnell mal langsam mit Trommelklängen unterlegt. Alles ein Ausdruck dafür, wie vielseitig und musikalisch überlegen improvisierte Musik ist.

Und so ist dem Künstler-Duo die Treue ihrer Fans gewiss, lauschen sie dem Konzert wie einer weihehaften Andacht - und überall ist sie spürbar, die Aura des großen Free-Jazzers Peter Kowald, dem einst dieser "Ort" das Zuhause war.

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