Hier Haarschnitt, dort Styling

Kontrastprogramm: „Salon Anne“ oder „Unisex“? Die WZ besucht verschiedene Frisuren-Welten.

Wuppertal. 10.30 Uhr im Friseur-Salon Anne: An der Wand hängen Fotos von Models aus den 1980er Jahren: Föhn-Frisur und Dauerwelle waren damals im Trend. Von der Decke hängt die Trockenhaube, ein leicht beißender Geruch von Haarspray kriecht in die Nase. Friseurmeisterin Waltraud Böll zurrt die Plastikhaube um den Kopf ihrer Kundin, die auf einem rosafarbenen Ledersessel sitzt.

Während sie dickflüssige Farbe in einer Plastikschale anrührt, liest die ältere Dame auf dem Stuhl eine Illustrierte, nippt an ihrer Tasse Kaffee. Die stellt sie neben der Flasche "Goldwell Sprühgold" und der Vase voll Kunstblumen ab. Zeit, wo bist du die letzten 20 Jahre geblieben? Um den Salon Anne hast Du anscheinend einen Bogen gemacht.

Szenenwechsel - 20 Jahre nach vorn, in der gleichen Stadt, zum Unisex-Friseur: Ein Model in Lack und Leder räkelt sich auf dem Poster im Schaufenster. "Sex, Luxus, geiler Haarschnitt" lautet das Motto der Friseur-Kette. Hier dröhnt Elektro-Musik aus den Boxen, der neueste Hit von Popsternchen Rihanna.

Auf Flachbildschirm flackern Bilder von DJ-Ikone Sven Väth auf einer Bühne an den Turntables steht. Im Licht einer Disco-Kugel schneidet Filialleiter Björn Pfotenhauer einer 16-Jährigen Kundin den Pony - nachdem die eben noch im Salon ihre E-Mail gecheckt hat. Ob mit zwei Scheren oder eher "free-hand" (zu deutsch: Freihand) in Punkto Schneidetechnik ist für Pfotenhauer die Abwechslung Trumpf.

Friseurbesuch im Wuppertal des Jahres 2009, das ist nicht nur die Wahl zwischen Waschen, Schneiden oder Legen, sondern zwischen verschiedenen Philosophien. Bei Unisex spricht man von Styling, im Salon Anne heißt es noch Haarschnitt. Waltraud Böll will ihren Kunden hier eine "kleine Atempause im Trubel des Alltags" bieten. 1998 hat sie den Salon in Barmen übernommen. "Verwöhnen" und Wohlfühlen", ist ihr Verständnis des Friseurberufs, den sie von der Pieke auf gelernt hat. "Wenn ich meine Kunden betüddeln kann, bin ich glücklich", sagt Böll.

Jeden Haarschnitt, ob pfiffige Kurzhaarfrisur oder traditionelle Dauerwelle, zaubert die Friseurmeisterin, einst Beste ihres Jahrgangs, selbst auf den Kopf ihrer Kunden. Die sind meist 40-plus. Ihre älteste Kundin im Alter von 93 Jahren lässt sich von ihr jede Woche Wickler ins Haar drehen.

Bei Unisex dagegen verkehren Leute im Alter von 14 Jahre bis Mitte 30. Dort geht es um mehr, als nur die Spitzen zu schneiden. Dort steigen Partys mit Frisurenshows, bei denen DJs auflegen. Bei neuen Trends in Sachen Haare lassen sich die Friseure von den Einflüssen aus Paris, London oder New York beeinflussen. Pfotenhauer meint, dass es "in" ist, bei Unisex Kunde zu sein. Er sieht sich als "Erfüller von Kunden-Wünschen". Bei seinen Teenie-Klientinnen klappt das offenbar - im Internetforum Schüler-VZ haben sie ihm eine eigene, dankbare Gruppe gewidmet.

Für die Wünsche ihrer Kundinnen ist Waltraud Böll zwar auch offen. Aber einer Frau ihre langen Haare für eine Glatze à la Britney Spears abrasieren? Das würde sie allenfalls unter Protest tun. "Da würde ich mir den Mund fusselig reden", sagt sie. Immerhin: Einer ihrer junggebliebenen Kundinnen hat sie die Haare schonmal blau gefärbt.

Was Farben angeht, ist allerdings selbst bei Unisex die Zeit des Haupthaar-Regenbogens vorüber. "Kein Tamtam, sondern edel soll die Haarfarbe wirken", sagt Pfotenhauer. Mehr als zwei Farben gibt’s nicht auf dem Kopf, "klassisch" soll der Look daherkommen. "Als Papagei verlässt keiner den Salon." Hier treffen sie sich ein wenig, die Welten von Styling und Haarschnitt.

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