Glosse: Von der Krawatte der Wiederkehr

Ein Wuppertaler Künstler hatte Mitleid mit der gebeutelten Skulptur am Kasinokreisel und hängte ihr einen neuen Schlips um - doch auch der blieb nicht lang.

Elberfeld. So eine Krawatte hat der Wuppertaler Künstler Bartek Juretko - und lässt den Unmut gerne heraushängen. Er tut es in einem Memento an den "Corpus ferrens", den Körper, der trägt - nämlich einen Schlips.

Doch nun mal langsam. Ort der Handlung von Juretkos Vorhaben ist das, was Wuppertaler noch lange nach verkehrstechnischer Geradführung als Kasinokreisel bezeichnen - und wo sie seit einem Weilchen den Handstand jenes Bankers betrachten, der als "Krawattenmann" in den Sprachgebrauch eingegangen ist. Die Krawatte trägt er und dann wieder nicht, je nachdem, ob gerade Vandalen oder städtische Sorgenträger im Sinne der Weiberfastnacht Hand angelegt und den Mann entschlipst haben.

"Ein neuer erfolgreicher Tag", so nannte der Künstler Guillaume Bijl seine Skulptur. Dabei ahnte er vielleicht nicht, welche Erfolge seinem Handstand-Mann noch winken würden. Am Tag der deutschen Einheit nämlich kam der Gewinn in Gestalt einer echten statt der starren Krawatte - im kräftig blasenden Wind flatternd, so als habe der Banker am deutschen Gedenktag etwas zu feiern - umgebunden vom fürsorglichen Herrn Bartek J.

Goutiert wurde der neue Schlips am Tag der Hängung wahrscheinlich nur von wenigen Bürgern, denn die meisten hatten Position vor der Flimmerkiste bezogen, statt an einem ungemütlichen Tag am Kasinokreisel zu kreisen. "Wann diese Krawatte wieder verschwindet, das ist nur eine Frage der Zeit", schreibt denn auch zutreffend Bartek Juretko (denn der Binder ist inzwischen wieder entfernt). Und weiter: "Sie weist den Weg für ein ständiges Wiederkehren der Krawatte an sich, in immer wieder neuer und anderer Form, und nicht nur zwingend an gemeinsamen formellen Anlässen - denn nicht alle Anlässe eines jeden sind kollektiv."

So krawattig kann Wortkunst sein. Und dem Wuppertaler bleibt ebenso wie Juretko die eine Hoffnung: Nach dem Raub der seidenen Einheitskrawatte mögen sich neue, beherzte Schlipshänger finden und der Kunst immer wieder neue Krawatten verpassen. Denn jeder Banker weiß: Ein Tag ohne Schlips hat wenig Aussichten auf Erfolg.

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