Gabriele Müller ist Wuppertals Katzenflüsterin

Tierpsychologin Gabriele Müller hat die Katze als Patient entdeckt. Nun hat sie ein Buch geschrieben.

Wuppertal. Wenn der Postbote an der Haustür klingelt, macht sich in der Wohnung von Familie Jansen Panik breit. Alle haben Angst. Vor allem Perser-Dame Barbie gerät außer sich. Kein Zuspruch, kein Trost — nichts hilft gegen ihre Angst. Sie versteckt sich unter dem Sofa. Manchmal vergisst sie sogar, dass sie längst stubenrein ist. Die Katze verwandelt sich in ein Häufchen Elend — und die Familie leidet mit.

So kann es im geschilderten Fall sein, dass Herrchen und Frauchen bei psychischen Problemen der Katze Tierpsychologin Gabriele Müller um Rat fragen. Die Vohwinkelerin ist eine Überzeugungstäterin aus Tierliebe — und das Wichtigste ist: Sie spricht die Sprache der Katzen: „Kätzisch“.

Oft haben Tierhalter den Eindruck, all ihre Mühe sei für die Katz’. Die Katze als kuscheliger Bettwärmer — Menschen verlangen viel und wissen wenig von Haustieren. Die Tiertherapeutin hilft, die tierisch-menschlichen Missverständnisse zu beseitigen und das Zusammenleben zu fördern. Gabriele Müller therapiert daher auch Tiere aus Heimen, um sie vermittelbar zu machen.

Wer weiß schon, dass Kater Max deshalb Tag für Tag seinem Herrchen bei der Begrüßung das Hinterteil zuwendet, weil das ein Liebesbeweis ist? Nach „kätzischer Etikettregel“ sei das eine Einladung, dass Mensch in Katers Territorium eintreten darf. Auf ähnliche Weise drückt Max seine Zuneigung aus, wenn er Frauchen eine selbst gejagte Maus vor die Tür legt.

Dass Katze Chanel miaut, weiß man. Hin und wieder faucht sie auch. Aber, wer weiß, dass sie auch schnattert (Zähneklappern), spuckt (ein Laut kombiniert mit Angriff) und flehmt (eine Form des Riechens). „Miau, Katzensprache richtig deuten“, den Titel ihres Buches hat sich Gabriele Müller zur Aufgabe gemacht.

Wie wird man Tierpsychologin? Bei Gabriele Müller begann alles mit zwei scheuen Katern aus dem Tierheim, die sich nicht lieben lassen wollten: Paul und Toby. „In ihrer Prägephase müssen sie schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht haben“, analysiert Müller. Nach langen, vergeblichen Mühen, nahm die Journalistin, in Zürich ein Fernstudium der Tierpsychologie — was eher der Tierverhaltenskunde entspricht — auf.

Die Mehrheit der Katzen, die beim Psychiater landen, leiden an angstbedingtem Stress. Ein fremder Besucher, ein umgestelltes Sofa reichen mitunter als Stressfaktoren, um wesentliche Reaktionen auszulösen: Entweder die Katze wird depressiv, frisst nicht mehr und verkriecht sich, oder sie wird aggressiv. Oder aber sie verunreinigt die Wohnung.

„Oft ist bei psychischen Störungen Angst im Spiel“, sagt Gabriele Müller im Gespräch mit der WZ — „und die ist schwer therapierbar“. Allein aus Furcht verwandeln sich liebe Schmusekater zu aggressiven Stubentigern. „Katzen kratzen und fauchen, wenn sie sich in die Ecke gedrängt fühlen. Sie verteidigen dann ihr Territorium vor dem Menschen und sind nicht etwa böswillig“, klärt die Tierpsychologin auf.

Wenn die Ursachen für die Störung der Katzen ermittelt sind, stellt sich häufig heraus, dass das angeblich verhaltensgestörte Tier sich ganz natürlich verhält und nur deshalb auffällt, weil es die Menschen mit diesem Verhalten stört, oder sie die Katze nur nicht verstehen.

Übrigens an Perser-Dame Barbie wird eine Art Verbrechen aus Liebe verübt. Das menschliche Mitgefühl treibt die Katze immer tiefer hinein in ihre Angst. Nun machen Frauchen, Herrchen — und Barbie wohl gemeinsam eine Therapie. Ein Rat der Psychologin: Eine Katze darf kein Ersatz für ein Kind werden.

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