Viertelklang: Musik auf der Nordbahntrasse Die Trasse wird zur Klanglandschaft

Viertelklang: An ungewöhnlichen Orten spielten 22 Künstler und Ensembles Musik unterschiedlicher Stilrichtungen.

Viertelklang: Musik auf der Nordbahntrasse: Die Trasse wird zur Klanglandschaft
Foto: Stefan Fries

Wuppertal. Percussion, experimentelle Klangkunst, Jazz und Rock, Chormusik und Klassik — einen Samstagabend lang luden 22 Künstler und Ensembles an einem Dutzend Spielorten entlang der Nordbahntrasse zur musikalischen Entdeckungsreise. Kein Konzert dauerte länger als eine halbe Stunde, damit die Besucher rechtzeitig von einem Konzert zum nächsten wechseln konnten.

Egal ob die Besucher ihre Tour im Westen, Osten oder in der Mitte starteten: Sie bekamen ein Kontrastprogramm geliefert. An ein und demselben Spielort konnte man Rock, Jazz und Klassik hören. Oder wie die Musikerin Susanne Strobel sagte: „Heute gehen Kultur, Weltmusik, Industrie, Sounds und modernes Ambiente eine harmonische Fusion ein.“

Susanne Strobel und ihre Trommlergruppe Apito Fiasko traten um 19 Uhr in Haus 1 der Königsberger Höfe auf, wo Künstler und Unternehmer Tür an Tür arbeiten. Das mit der Industrie war übrigens wörtlich gemeint: Vor gut 50 Zuhörern spielte die Perkussionistin auf leeren Ölfässern, während ihre Band auf Mülltonnen trommelte.

Rhythmisch ging es hier eine Stunde später mit Uwe Fischer-Rosier und dem „Schlagart-Ensemble“ weiter. Jugendliche zwischen 11 und 18 Jahren führten vor, wie man den eigenen Körper zum perfekten Perkussionsinstrument macht. Beim Stück „Tischmusik“ setzten sie sogar Kochlöffel als Klangerzeuger ein.

Von Haus 1 aus musste man nur quer über den Hof gehen und hörte ganz andere Töne. In der Halle einer Baufirma spielte das „ensemble die reiher“. Begleitet von seinen Kollegen an Akkordeon und Cello improvisierte Stimmkünstler Mitch Heinrich mit Worten, Klängen und Geräuschen. Für den ungewöhnlichen Spielort hatte er viel übrig: „Ich bin dankbar für die gute, hallige Akustik.“ In dieser Fabrik-Atmosphäre brauche er noch nicht einmal ein Mikrofon, um Wirkung zu erzeugen.

Der Ort, an dem Ilona Ludwig auftrat, hatte einen ganz anderen Charme: Über einen Hinterhof ging es zu einem grün überwucherten Backsteingebäude. Im Raum einer Werbeagentur saß die Sängerin mit Keyboarder Stefan Mühlhaus und präsentierte eine stimmgewaltige Melange aus Soul und Jazz. Gegen die Hitze hatte sich das Publikum mit Fächern und Getränken gewappnet.

Fürs Konzerthopping gingen viele Musikfans zu Fuß über die Nordbahntrasse. Noch mehr — ganze Familien — nahmen das Rad. Wer selber keines hatte, konnte sich eines leihen. Bei „Utopiastadtrad“ gab’s einen Drahtesel gegen 20 Euro Pfand. Auch die zweite Verleihstation, der Radbahnhof Wichlinghausen, lag direkt an der Trasse. Wem das zu viel Eigenbewegung war, konnte mit seinem Festivalticket kostenlos Bus und Bahn nutzen.

Wer die ganze Viertelklang-Strecke fuhr oder ging, konnte einen Blick auf die fahrbare Lichtinstallation des Künstlertrios Raumzeitpiraten erhaschen. Trassennutzer aus West und Ost fanden an der Skatehalle Wicked Woods zusammen.

Zwei Radfahrerinnen hatten ihre Tour am westlichen Zipfel begonnen. Sie schwärmten vom Konzert des Duos „TwoDylan“ in der Konsumgenossenschaft Vorwärts an der Münzstraße. Diese Räumlichkeiten wirkten morbide „wie alte Katakomben“.

Um 21.30 Uhr eröffnete die Kantorei Dreiklang ihr Konzert in der Wicked Woods-Halle passend mit „Der Mond ist aufgegangen“. Sängerinnen und Sänger fanden auf einer großen Rampe Platz, die sonst Skatern als Abfahrt dient.

Wer dachte, es könne keinen größeren Kontrast geben zwischen Ort und Musik, musste umdenken. Denn in der Kirche St. Johann Baptist spielte Tom Daun auf seiner keltischen Harfe: Es gab tänzerische Lieder aus Irland und Südamerika.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort