Begrabt mein Herz in Wuppertal Die Angst vor den Lederhosen

Kolumnist Uwe Becker erinnert sich an den Besuch eines Pfadfinders.

Begrabt mein Herz in Wuppertal: Die Angst vor den Lederhosen
Foto: Joachim Schmitz

Wuppertal. Am 1. Mai ging ich mit meinem Hund im Gelpetal spazieren. Ich habe zwar keinen Hund, aber es liest sich einfach schöner, als wenn ich schreiben würde, ich wäre alleine im Gelpetal spazieren gegangen. Inmitten der Natur, umgeben von Hügeln und Wald, kam uns auf einer Lichtung eine Gruppe Pfadfinder entgegen.

Mir fiel dann spontan eine Geschichte aus meiner Kindheit ein. Ich war vielleicht sieben Jahre alt, als es am Nachmittag bei uns zu Hause in Heckinghausen klingelte. Meine Großmutter, die auf uns aufpasste, weil meine Eltern beide berufstätig waren, sprach an der Wohnungstür mit einem jungen Mann von schätzungsweise 23 Jahren.

Was mich als Kind damals sofort irritierte: Der Mann trug eine kurze Lederhose und ein uniformähnliches, hellbraunes Hemd. Ein erwachsener Mann, der wie wir Kinder eine Lederhose trug, erschrak mich zutiefst. Ich ging schnell in mein Zimmer und hoffte, der Mann käme nicht noch in unsere Wohnung. Meine Befürchtung bestätigte sich nicht. Als ich mich wieder in den Flur traute, sah ich, wie meine Großmutter einen Zettel auf den niedrigen Couchtisch in unserem Wohnzimmers legte. Ich schaute mir den Zettel an, auf dem war eine Telefonnummer notiert. „Der Zettel ist für deinen Vater, der soll da mal später anrufen, ist vielleicht etwas für dich!“

Ich bekam es mit der Angst zu tun. Was könnte da vielleicht etwas für mich sein? Sollte ich zukünftig mit einem erwachsen Mann in einer kurzen Lederhose in meinem Zimmer spielen, oder noch schlimmer, womöglich in seinem? Im Grunde spielte ich am liebsten alleine. Es gab auch nur zwei Freunde, die mein Zimmer betreten durften, aber noch lange nicht mit allen meinen Autos spielen durften.

Ich befand mich daher in einer Ausnahmesituation. Ich ging also ins Wohnzimmer, nahm den Zettel und zündete ihn mit dem Feuer des schweren Tischfeuerzeugs an. Die Asche fiel in den dafür vorgesehenen Becher (Aschenbecher).

Als mein Vater heim kam, verkroch ich mich ängstlich in mein Zimmer. Draußen hörte ich, wie meine Großmutter mit ihm sprach. Plötzlich ging die Türe auf und meine Großmutter wollte wissen, wo der Zettel geblieben wäre. Ich antwortete, dass ich es nicht wüsste. Meinem Vater fiel dann der Inhalt des Aschenbechers auf und er fragte mich, ob ich den Zettel verbrannt hätte und warum.

Ich erzählte ihm die ganze Geschichte, von dem Mann in kurzer Lederhose und meiner begründeten Sorge, mit ihm spielen zu müssen. Mein Vater beruhigte mich dann glücklicherweise, sehr zum Unmut meiner Großmutter. Ich hätte dich niemals zu den Pfadfindern geschickt, sagte mein Vater, das erinnerte ihn zu sehr ans Militär, er wäre ja im Krieg gewesen. Ich sollte nur nicht wieder mit dem Feuerzeug hantieren, es hätte gereicht, wenn ich den Zettel zerrissen hätte, dabei schmunzelte er.

Meine Oma war dann den ganzen Rest des frühen Abends eingeschnappt. Der Stein, der mir aber damals von meinem kleinen Herzchen fiel, der lag noch lange zwischen meinen Indianer-Figuren. Nur ich konnte ihn sehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort