Wuppertal Busfahrer Michael Rieck: „Man spürt die Herzlichkeit unter den Leuten“

Michael Rieck steuert an Heiligabend einen WSW-Bus durchs Tal — und das sogar gern. Für ihn hat der Dienst am Weihnachtsabend etwas Magisches.

Michael Rieck freut sich schon auf seinen Dienst am Samstag. Weihnachten feiert er erst am Sonntag mit seiner Familie.

Michael Rieck freut sich schon auf seinen Dienst am Samstag. Weihnachten feiert er erst am Sonntag mit seiner Familie.

Foto: Stefan Fries

Wuppertal. Der Übergang komme abrupt, erzählt WSW-Busfahrer Michael Rieck: „Tagsüber merkt man von Weihnachten überhaupt nichts, alle sind noch total beschäftigt - und mit Geschäftsschluss tritt dann eine ganz komische Ruhe ein.“ Vorher sei das Busfahren am 24. Dezember wirklich anstrengend: Die Wuppertaler hasten auf der Suche nach letzten Geschenken oder den Zutaten fürs Festessen durch die Innenstädte, ohne nach rechts und links zu schauen. „Da muss man am Wall sehr gut aufpassen, dass man niemand überfährt.“ Im Bus herrscht Gedränge, Anspannung liegt in der Luft.

Doch kaum schließen die Geschäfte, senkt sich Weihnachtsruhe über die Stadt. Die ersten ein bis zwei Stunden nach Ladenschluss seien fast keine Menschen unterwegs, berichtet Rieck. Dann steigen die ersten festlich gekleideten Fahrgäste in den Bus, die zum Gottesdienst oder zu ihrer Familie fahren. Alle Altersgruppen seien vertreten, doch eins sei ihnen allen gemeinsam, sagt Rieck: „Alle sind fröhlich und freundlich.“ Die Menschen grüßen ihn ausführlich, manchmal entspinnt sich ein kleines Gespräch. Es gibt auch Fahrgäste, die ihm an diesem besonderen Tag von ihrem Privatleben erzählen - dass sie auf dem Weg zu den Enkeln sind oder dass der Ehepartner vor kurzem gestorben ist.

Die Stimmung an diesem heiligen Abend sei etwas ganz Besonderes, schwärmt der Busfahrer: „Man fährt mit dem Bus durch die dunklen Straßen und in den Fenstern brennt überall Licht, die Leute sitzen zusammen am Tisch - das hat etwas Magisches.“ Deshalb übernimmt er den Dienst an Weihnachten nicht ungern. „Selbstverständlich wäre ich lieber bei meiner Familie - aber es macht auch Spaß.“ Rieck feiert dann halt einen Tag später mit seinen Lieben. Und seine Silvesterparty findet dieses Jahr am 3. Januar statt - da haben dann wenigsten alle Zeit für die Feier. Denn auch am 31. Dezember steuert Rieck den Bus.

Vor dem Dienst am Heiligabend oder an Silvester drücken könne sich niemand, sagt Rieck. Aber solche Tage seien gerecht unter den Mitarbeitern der WSW verteilt. Zudem gibt es am Heiligabend nur einen ausgedünnten Fahrplan, der deutlich weniger Fahrer benötigt als ein normaler Samstagsfahrplan.

Zuerst sitzen am Nachmittag die Menschen bei ihm im Bus, die zur Familien-Weihnachtsfeier fahren, erzählt Rieck. Dann, am späteren Abend, kommen die „Discomäuschen“: Junge Menschen, die nach der Feier im Familienkreis noch Abwechslung suchen. Sie würden ihm sogar manchmal einen Schoko-Nikolaus oder ein paar Süßigkeiten mitbringen, berichtet der Busfahrer: „Damit rechnet man bei denen eigentlich gar nicht.“ Die Stimmung im Bus sei dann nicht mehr so feierlich, sondern mehr und mehr übermütig-fröhlich. „Die singen dann Lieder, haben auch schon ein Hoch auf den Busfahrer gesungen, und kommen dann ganz lieb und fragen, ob sie stören“, hat Rieck erlebt. Gegen Mitternacht machen sich dann die Feierlustigen zwischen 20 und 30 Jahren auf den Weg zur Disco. Ein Kontrast dazu sei die Gathe, berichtet Rieck: „Da herrscht ganz normales Treiben.“ Muslime und Menschen anderer Glaubensrichtungen würden in normaler Alltagskleidung in den Bus steigen und in den dortigen Bars und Cafés den Abend verbringen wie an jedem anderen Tag im Jahr auch.

Der Weihnachtsfrieden hält auch am ersten und zweiten Feiertag an. Dann würden wenige Menschen Bus fahren, einige ältere morgens zum Gottesdienst. Doch die schöne Stimmung bliebe: „Man spürt die Herzlichkeit unter den Leuten - was im normalen Alltag nicht so der Fall ist.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort