„Auftritt Beruf“: Schauspieler machen Schüler fit für den Job

Im theaterpädagogischen Training bereiten Lilay Huser und Marcia Golgowsky Jugendliche aufs Berufsleben vor.

Frau Golgowsky, Frau Huser, normalerweise machen Sie auf ausgewiesenen Bühnen Theater. Abgesehen davon gehen Sie aber auch dorthin, wo junge Menschen das reale Leben planen und sich Gedanken über ihre berufliche Zukunft machen. Was steckt hinter dem Theater in der Schule?

Marcia Golgowsky: Wir arbeiten seit vielen Jahren mit Schulen in ganz Nordrhein-Westfalen zusammen. In diesem Jahr sind wir an insgesamt 40 Schulen — jede davon bekommt zwei dreitägige Workshops. Das Projekt heißt „Auftritt Beruf“ und ist ein theaterpädagogisches Berufswahltraining für achte, neunte und zehnte Klassen. Das Projekt, das von der Stiftung „Partner für Schule“ gefördert wird, soll Schüler auf das Berufsleben vorbereiten.

Was spielt sich dabei konkret ab?

Golgowsky: Zu Beginn machen wir Übungen und Gruppenspiele, um Konzentration und Teamarbeit zu fördern und das Selbstbewusstsein zu stärken. Danach machen wir Rollenspiele und üben Bewerbungsgespräche. Wie stellt man sich vor? Wie telefoniert man? Wie geht man mit unzufriedenen Kunden um? Dabei spielen wir auch Erlebnisse nach, die auf Praktikumserfahrungen der Schüler basieren. Wir erarbeiten kleine Szenen und laden die Lehrer zu einer Abschlusspräsentation ein, bei der die Ergebnisse präsentiert werden.

Was kann das Training mit professionellen Schauspielern bewirken, was im „normalen“ Unterricht nicht möglich sein soll?

Lilay Huser: Wir arbeiten mit den Mitteln des Theaters. Ich denke, dass die Schüler im normalen Alltag genug Theorie vermittelt bekommen. Bei uns dürfen sie selbst spielen, spüren und fühlen. Sie bekommen Requisiten und nach jeder Szene ein Feedback. Sie können einfach vieles ausprobieren, wozu sie im normalen Leben keine Möglichkeit haben. Viele wissen gar nicht, welche Stärken sie haben. Golgowsky: Das stimmt. Wir stellen immer wieder fest, dass die meisten durch das Training selbstsicherer werden. Sie trauen sich dann in Bezug auf Bewerbung und Jobsuche mehr zu als vorher.

Vor dem Bewerbungsgespräch muss man aber erst einmal wissen, wohin die berufliche Reise gehen soll. Wissen denn die meisten Teilnehmer überhaupt schon, welchen Beruf Sie ergreifen möchten?

Huser: Wir möchten den Horizont öffnen, Mut machen und mögliche Richtungen aufzeigen. Deshalb spielen wir auch eine Art Berufsscharade. Da geht es dann darum, pantomimisch Berufe darzustellen und zu erraten. Golgowsky: Die Schüler sollen durch spielerische Art dazulernen. Oft hapert es schon bei den Berufsbezeichnungen. Dass es den Beruf Juwelier gibt, wissen viele gar nicht. Oft wird stattdessen „Schmuckmacher“ oder „Schmuckhersteller“ geraten. Und wenn es darum geht, die Arbeit eines Bestatters darzustellen, sprechen viele von „Totengräber“. Viele Berufsbezeichnungen haben sich ja auch geändert, zum Beispiel gibt es heute den Kfz-Mechatroniker.

Wissen die jungen Leute denn, wie man sich bei einem Bewerbungsgespräch optimal präsentiert?

Golgowsky: Unpünktlich sein, Kaugummi kauen und das klingelnde Handy aus der Hosentasche ziehen — dass das nicht geht, wollen wir natürlich festigen. An sich wissen die Schüler aber ganz genau, wie man es richtig macht. Das zeigt sich, wenn sie es falsch machen dürfen. Bei uns dürfen sie eine solche Situation nämlich zwei Mal durchspielen: Ein Mal sollen sie sich korrekt verhalten, ein anderes Mal dürfen sie sich so richtig daneben benehmen.

Wer soll davon konkret profitieren?

Golgowsky: Angefangen haben wir mit Haupt- und Förderschulen, inzwischen decken wir alle weiterführenden Schulformen ab. Seit diesem Jahr können sich auch Gymnasien bewerben.

Wie ist die Resonanz in Ihrer Heimatstadt Wuppertal?

Golgowsky: Es gibt einige Schulen, die regelmäßig mitmachen. Die Hauptschule Vohwinkel beispielsweise ist jedes Jahr dabei. Wir würden uns natürlich freuen, wenn noch mehr Wuppertaler Schulen vertreten wären. Allerdings muss man dazu sagen, dass es eine Warteliste gibt. Man muss sich rechtzeitig bewerben — die Plätze sind begehrt.

Welche Ideen und Wünsche haben denn diejenigen, die einen Platz erhalten?

Golgowsky: In Herten wollte ein Junge Feuerwehrmann werden. Er hat in einer Szene einen Hausbrand nachgestellt. Eine andere Gruppe wollte unbedingt das Thema „Mobbing im Beruf“ behandeln. Da hatten Schüler während eines Praktikums Mobbing erlebt. Durch die nachgestellten Szenen können wir in einem solchen Fall gemeinsam durchspielen, wie man sich in konkreten Situationen verhalten sollte — oder wie man es beim nächsten Mal einfach besser machen kann. Huser: Zum Beispiel, wenn Schüler erzählen, dass sie sich während des Praktikums ungerecht behandelt gefühlt haben, aber nicht wussten, wie sie sich verhalten sollen. Golgowsky: Es darf aber auch witzig sein — und das ist es auch. Die Schüler haben tolle Ideen. Und: Sie interviewen sich gegenseitig, geben sich auch selbst Feedback und suchen gemeinsam nach Lösungen. Das Gruppengefühl ist danach oft besser, das Zusammengehörigkeitsgefühl wird gestärkt.

Apropos Feedback — und zurück zum klassischen Theater: Kommt es oft vor, dass Ihnen Teilnehmer am Ende eröffnen, dass sie Schauspieler werden möchten?

Golgowsky: Doch, das kommt immer mal wieder vor. Dann stellen wir allerdings klar, dass das nicht so einfach ist . . .

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