36 Jahre auf dem Eiland: „Richter — mein Traumberuf“

Nach mehr als 30 Jahren als Richter in Wuppertal wurde Uwe Heiliger gestern verabschiedet. Mit der WZ sprach er über schärfere Strafen, das neue Jugendgefängnis, seine Stadt und den Wuppertaler SV.

Schon als Student hat Uwe Heiliger am Wuppertaler Gericht gejobbt und Akten „vervielfältigt“. Auf der Justizinsel hielt es ihn auch nach seinem Jura-Studium: Rund 36 Jahre übte der fast 65-Jährige am Eiland seinen Beruf als Richter aus, zuletzt als stellvertretender Direktor. Jetzt hängt der Wuppertaler seine Robe an den Nagel und geht — mit gemischten Gefühlen — in den Ruhestand. Sein Fazit: Richter ist ein Traumberuf.

Herr Heiliger, Sie sind Wuppertaler und dem Land- beziehungsweise Amtsgericht während Ihrer gesamten Richter-Laufbahn treu geblieben. Hängt Ihr Herz so an Ihrer Heimatstadt?

Uwe Heiliger: Es hat schon Angebote gegeben, zu wechseln. Aber ich bin bewusst geblieben. Ich habe den Beruf ja nicht aus finanziellen Gründen ausgeübt. Ich hatte eine Familie, Kinder — mir war die Freizeit immer wichtig. Nachmittags mit meinen Kindern noch Völkerball zu spielen, das habe ich schon genossen. Eine lange Anfahrt zum Job für 200 Euro mehr, das war es mir nicht wert.

Und die Stadt?

Heiliger: Da ist viel versäumt worden. Ich sehe das jeden Morgen, wenn ich mit der Schwebebahn von Sonnborn zum Gericht fahre. Dieser Blick in heruntergewirtschaftete Hinterhöfe ist nicht schön, und es tut sich nichts.

Ist Richter nach 36 Jahren noch immer ein Traumberuf für Sie?

Heiliger: Ja, mit ein paar Einschränkungen. Man steht als Richter permanent unter Druck, denn jeder schaut auf das, was man tut: die Presse, die Staatsanwaltschaft, die Verteidigung und auch die Verwaltung.

Der Ruf nach neuen Gesetzen samt schärferer Strafen wird immer wieder laut, wenn gerade ein besonders schlimmer Fall für Schlagzeilen sorgt. Stimmen Sie dem zu?

Heiliger: Wenn die bestehenden gesetzlichen Strafrahmen konsequent ausgenutzt werden, ist das völlig ausreichend. Richter sollten vielleicht manchmal mehr Mut haben, an die Höchstgrenzen zu gehen. Doch sie versuchen ihre Urteile so zu sprechen, dass sie nicht aufgehoben werden und am Ende neu verhandelt werden muss.

Die vergangenen acht Jahre haben Sie als Jugendrichter gearbeitet — was hat sich im Bereich der Jugendkriminalität verändert?

Heiliger: Die Zahl der Fälle ist nicht gestiegen, aber die Gewaltbereitschaft hat zugenommen. Früher war ein Streit beendet, wenn jemand am Boden lag, heute wird nochmal drauf getreten. Viele Jugendliche kennen da keinerlei Grenzen mehr.

Viele Angeklagte landen immer wieder vor Gericht. Bewirken Strafen überhaupt etwas?

Heiliger: Es gibt Fälle, die einen frustrieren. Der Mann, der eine Flasche Schnaps im Supermarkt geklaut und bereits zehn Vorstrafen hat — was machen Sie mit dem? Der wird das wahrscheinlich immer wieder tun, denn hier bietet die Strafe keinen Ansatz zur Resozialisierung. Im Jugendrecht ist das anders.

Wie denn?

Heiliger: Das Jugendstrafrecht basiert ja auf dem Erziehungsgedanken — da hat man ganz andere Möglichkeiten. Manchmal ärgere ich mich nur, dass ich bei jemandem anfangs zu milde war und mit strengerem Durchgreifen vielleicht einen schweren Raub später verhindert hätte.

In Ronsdorf wird derzeit ein neues Jugendgefängnis gebaut, das am 1. Juni der Justiz übergeben werden soll.

Heiliger: Das wird noch spannend. Immerhin sollen dort 500 Plätze entstehen — 500 Insassen, für die es bislang gerade mal knapp vier Jugendrichter gibt. Das kann nicht funktionieren. Da muss es neue Stellen geben, sonst ist das nicht zu packen. Dazu kommt der ganze Unterbau: Rechtspfleger, Geschäftsstellen, Verwaltung — das ist noch nicht geklärt.

Gab es Fälle, die man trotz aller Professionalität auch mit nach Hause nimmt?

Heiliger: In der Regel nicht. Aber ich erinnere mich an einen Fall in meiner Zeit als Ermittlungsrichter. Ein junges Paar hat sein Kind über Tage mit heißem Wasser verbrüht. Das Kind starb. Ich war damals junger Vater.

Als bekennender Fußballfan und Pensionär: Werden Sie sich Spiele des WSV ansehen?

Heiliger: Fußballfan ja, WSV eher nein. Ich war damals mit der Fusion von Borussia Wuppertal zum WSV Borussia nicht glücklich. Seither wurden meine Besuche im Stadion immer seltener.

Keine Chance?

Heiliger: Ich hab’ noch den Günter Pröpper in seiner Glanzzeit gesehen und später dann hin und wieder hobbymäßig gegen ihn gespielt. Der war schon eine Klasse für sich. Das fehlt heute.

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