Oft sind eher die erfahrenen Kletterer unachtsam

Christian Popien, Geschäftsführer von Climb-Inn, sprach mit der WZ nach dem jüngsten Unfall über die Sicherheit in den Kletterhallen.

Oft sind eher die erfahrenen Kletterer unachtsam
Foto: Stefan Fries

Die wachsende Zahl der Kletterhallen zeigt, dass Klettern inzwischen schon zu einer Art Volkssport geworden ist. Unfälle in den Hallen sind sehr selten — wenn sie vorkommen, dann sind sie aber oft schwerwiegend. Wie zuletzt am 15. April im Wuppertaler Kletterzentrum Wupperwände, wo ein 22-Jähriger, wie berichtet, beim Ablassen aus mehr als zwölf Metern Höhe abstürzte und sich schwere Knochenbrüche zuzog. Einen technischen Defekt hatte die Polizei damals ausgeschlossen. Die WZ sprach mit Christian Popien, Geschäftsführer der Climb-Inn Klettersport GmbH & Co. KG, die die Halle für die Wuppertaler Sektionen des Deutschen Alpenvereins (DAV) betreibt, über das Thema Sicherheit in Kletterhallen. Als jahrelanges Mitglied in der Kommission künstliche Kletteranlagen im Deutschen Alpenverein hat Popien sich selbst intensiv damit beschäftigt.

Herr Popien, zunächst die Frage: Wie geht es dem Verunglückten?

Popien: Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Gerade habe ich die Nachricht bekommen, dass die bisherigen Operationen erfolgreich verlaufen sind. Gedanklich ist er schon bei der Reha angekommen. Das wird aber sicher noch ein längerer Weg.

Ist Klettern als Risikosportart einzustufen?

Popien: Klettern, und vor allem das Klettern in den Hallen, war nie als Risikosportart einzustufen, weil es viel zu hohe Sicherheitsstandards gibt. Man darf sich die Frage stellen, ist jetzt Mountainbike oder Skifahren ein Risikosport. Selbst da haben wir im Vergleich sehr geringe Unfallzahlen.

Wie ist die Verteilung zwischen Bouldern und Seilklettern?

Popien: Grundsätzlich hat Bouldern immer noch sehr hohe Zuwachsraten. Für viele ist der Einstieg leichter, weil ich nur über der Weichbodenmatte bis maximal 4,50 Meter klettere. Mit der Zahl der Nutzer ist hier natürlich auch die Zahl der klassischen Sportverletzungen gestiegen. Man hat man sich schnell mal einen Bänderriss geholt, wenn man unsauber landet.

Und beim Seilklettern?

Popien: Da ist die Zahl der Unfälle sehr, sehr gering, wie Statistiken, die der Deutschen Alpenverein und der Verband privater Kletterhallenbetreiber seit Jahren erheben, zeigen. In unserer Halle beispielsweise, die im Durchschnitt von rund 100 Kletterern pro Tag genutzt wird — und das an 364 Tagen im Jahr — hat es seit der Eröffnung 2006 drei Unfälle beim Seilklettern gegeben, wovon der jüngste der schwerste war.

Sie beschäftigen sich seit Jahren mit Risikomanagement für Kletterhallen. Worauf kommt es da an?

Popien: Die Frage ist, welche technischen Lösungen gibt es, die man in der Halle installieren muss und wie gelingt es uns, ein Risikobewusstsein und eine Risikokultur in eine Kletterhalle einzuführen? Da bin ich viel im Austausch mit Experten.

Welche Voraussetzungen muss jemand erfüllen, dass er hier mit seinem Sicherungspartner an die Wand darf?

Popien: Er muss die aktuelle Sicherheitstechnik beherrschen. Die lerne ich in qualifizierten Kursen. Er muss auch genormtes Material verwenden. Wichtig ist uns, dass wir die Risiken offen und offensiv kommunizieren. Eines der letzten Konzepte, an denen ich mitgearbeitet habe, war, Kunden beim Einchecken in die Halle nicht nur aufzuklären, sondern sie auch zu selektieren, ihnen eventuell den Zugang zu verwehren oder Kursangebote und Schulungen zu empfehlen.

Wie oft kommt das hier vor?

Popien: Gerade an langen Wochenenden oder in den Ferien kommt es immer wieder vor, dass hier Eltern mit der Vorstellung kommen, eine Kletterhalle ist eine Art Indoorspielplatz. Da überrascht schon, wie vielen das Risikobewusstsein fehlt. In den Unfallstatistiken ist es aber so, dass selten Anfänger verunfallen. Es sind oft erfahrene Kletterer, die aus der Routine heraus unachtsam sind. Auch ein Kletterführerschein würde die Unfälle an dieser Stelle nicht verhindern, sondern nur ein immer wieder aufrecht erhaltenes Risikobewusstsein.

Wie wird das hier gemacht?

Popien. Wir haben ein sehr familiäres Umfeld und eine hohe Risikokultur. Wir haben ein Infobord, an dem wir über aktuelle Entwicklungen berichten, Kursangebote zu Sicherungsgeräten, aber auch eine Kultur, wo sich die Kunden untereinander immer wieder auf mögliche Fehler aufmerksam machen. Diese Rückmeldung ist unglaublich wichtig.

Bezieht sich das auch auf den Sicherer?

Popien: Absolut. Seit Jahren gibt es die Aktion sicher Klettern des DAV, wo die wichtigsten Regeln aufgeführt sind. Dazu gehört auch der Partnercheck. Trotzdem ist es so, dass die wenigen Fehler, die es gibt, oft Blackouts sind, die auch Profis passieren. Auch sie erzählen davon, dass man in der lockeren Feierabend-Atmosphäre — klettern, quatschen — leicht auch in Momente der Unachtsamkeit kommen kann. Da wollen wir gegensteuern.

Werden sie hier in den Wupperwänden aus dem jüngsten Unfall Konsequenzen ziehen, etwas ändern?

Popien: Nein. Wir machen hier viel. Es bestärkt uns nur darin, weiter offensiv die Risiken zu kommunizieren, weiter unsere Mitarbeiter zu schulen und weiter Kursangebote zu machen. Aber wir haben keinen Punkt, wo wir sagen, das müssten wir ändern.

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