Die politischen Retter aus der Siegesstraße: Kabarett der Extraklasse mit Kultstatus

1. Preis weiterführende Schulen: Professionell und in Wuppertal unübertroffen: Der Kabarettungsdienst überzeugt eine ganze Stadt.

Wuppertal. "Kabarett ist eine leicht verderbliche Ware", konstatiert Michael Brischke. Der studierte Theologe und Sportlehrer muss es wissen, 1993 gründete er am Ganztagsgymnasium Johannes Rau, das damals noch Gymnasium Siegesstraße hieß, den Kabarettungsdienst.

Die bislang 16 Programme erlebten 222 Aufführungen. Und in jeder von ihnen standen die Schüler im Mittelpunkt. Eine der herausragenden Eigenschaften dieser Formation ist, dass nicht bloß Requisite, Regie und die Gestaltung von Programmheft und Plakat für die jeweiligen Inszenierungen von den Schülern erledigt werden. "Jede Zeile des politisch-literarischen Kabaretts ist von uns selbst verfasst", erklärt Nüket Yalcin (19). "Arbeitsweise und Arbeitsatmosphäre sind ganz anders, als man sie von der Schule kennt", fügt Mitstreiter Robin Smets (18) hinzu.

Die Einheit von Autor und Spieler sei "typisch für deutsches Kabarett der besten Sorte", lobt Brischke. 92 Schüler haben im Verlaufe der Jahre bei der Truppe mitgemacht, manche wie Aylin Sen und Jasper Elbers sind noch dabei, obwohl sie im vergangenen Jahr Abi gemacht haben.

Zu den alten Hasen kommen junge Haie wie Emma Saranin oder Carol Rüchel, beide jetzt in der 10. Klasse. "Das ist eine gute Durchmischung. Die Älteren nehmen die Jüngeren an die Hand", lobt Brischke. Der Weg in den Kabarettunsgdienst, der zunächst in Zweierteams, oft privat oder in der ehemaligen Hausmeisterwohnung, "aber möglichst selten in einem Klassenzimmer probt", so der 57-jährige Leiter, ist unterschiedlich.

Bei Nüket war es die ältere Schwester, die begeistert von der Formation berichtete und so Interesse weckte. "Mich hat meine Deutschlehrerin angesprochen", erinnert sich Konstantin Kraus (19), im dritten Jahr dabei. Eigentlich wollte er bloß Texte schreiben und bei den Aufführungen eine Aufgabe hinter den Kulissen absolvieren. "Ich war wirklich eher scheu."

Inzwischen steht er gerne auf der Bühne. "Ich bin eine Rampensau im positiven Sinne", grinst er. Ähnlich wie bei Robin, der sich selbst als schüchtern beschreibt, als er vor drei Jahren Kabarettungsdienstler wurde. Aber in der Atmosphäre von Vertrauen und Offenheit, bei der es selbstverständlich kontrovers geführte Diskussionen über Beiträge gibt, hat viel für sein Selbstbewusstsein getan. "Die Probenarbeit dient der Persönlichkeitsentwicklung. Da gibt es Elemente, die sonst im Schulalltag nicht dabei sind", findet auch Jasper.

Für das Publikum in und um Wuppertal - im bevorstehenden Sommer absolviert der Kabarettungsdienst eine Tournee nach Baden-Württemberg - ist die Formation schlicht gute Unterhaltung. Dass mit spitzer Feder beziehungsweise spitzer Zunge die politischen Dramen und gesellschaftlichen Ereignisse des Landes satirisch auf den Punkt gebracht werden, gefällt jedes Mal aufs Neue.

Das aktuelle Programm "Kopfnoten unbefriedigend" ist am Samstag, 7. Februar, 19.30, im Ganztagsgymnasium Johannes Rau, Siegesstraße 134, zu sehen.

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