Offen gesagt Parteien statt Facebook

Wuppertal. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich der Vorsitzende einer Partei um ein Bundestagsmandat bemüht. Deshalb sollte es auch niemanden überrascht haben, dass Rainer Spiecker dem im Dezember gestorbenen Peter Hintze als Wuppertaler Abgeordneter in Berlin nachfolgen will.

Offen gesagt: Parteien statt Facebook
Foto: Schwartz, Anna (as)

Dass er dafür einen ordentlichen Listenplatz benötigt, liegt auf der Hand. Auch wenn ihm in Helge Lindh auf SPD-Seite ein politisch unbeschriebenes Blatt gegenübertritt. Denn in der Vergangenheit hätte die SPD in Wahlkreis 102 auch ein rotes Klappfahrrad aufstellen können. Es wäre gewählt worden.

Viel bemerkenswerter ist die Not der CDU, anstelle von Spiecker einen Kandidaten für die Landtagswahl finden zu sollen. Es ist zwar misslich, dass Spiecker auf der Landesliste bereits einen festen Platz hat, was nicht mehr zu ändern ist. Und es ist auch nachteilig, dass der Gegenkandidat im betreffenden Wahlkreis Dietmar Bell heißt, gegen den vermutlich kein Christdemokrat eine ernstzunehmende Chance hat. Aber dass sich in der Volkspartei CDU niemand findet, der die Inhalte der Christdemokraten schon aus Überzeugung dennoch im Landtagswahlkampf vertritt, lässt schon tief blicken. Die CDU ist in Wuppertal in keinem sonderlich guten Zustand. Allerdings sieht es bei den Konkurrenten um die große, breite Mitte der Gesellschaft nicht viel besser aus. In der SPD drängt kaum ein junges Talent in die 1. Reihe, die Grünen mussten in Jörg Heynkes einen parteilosen Kandidaten bemühen, weil im eigenen Team keiner zu finden war. Die FDP besteht auf Christian Lindner, obwohl sich der hiesige Parteichef Marcel Hafke und der Fraktionschef im Rat, Alexander Schmidt, redlich mühen.

Auch in Wuppertal ernten die Parteien heute die vergammelten Früchte einer schlechten Saat. Die Parteien schotten sich voneinander ab. Wo konstruktives Miteinander gefragt wäre, trifft rot-schwarze Übermacht auf grün-gelbe Fundamentalopposition. Das Ergebnis ist, dass sich die Wuppertaler in Scharen von der sogenannten etablierten Politik abwenden. Beteiligungen von kaum noch 40 Prozent bei der jüngsten Kommunalwahl hätten eigentlich Warnung genug sein müssen. Stattdessen geht alles weiter wie bisher. Auf der Strecke bleibt im Falle Wuppertals Wuppertal. Zwar wird gern vom Schwung fabuliert, den die Stadt vor Jahren nachweislich aufgenommen hat. Aber der zarte Fortschritt ist wieder Stillstand gewichen. Eine Stadt, die sich keine Ziele setzt, wird keine Ziele erreichen.

Für diese Zielsetzung sind die Parteien im Stadtrat zuständig. Deshalb ist es kein Grund, sich darüber zu freuen, dass beispielsweise die CDU mangels geeignetem Personal keine schlagkräftigen Kandidaten mehr aufstellen kann. Es ist vielmehr der Auftrag an die Politiker, sich zu ändern. Und es ist der Auftrag an engagierte Wuppertaler, Politikern die Sporen geben — im eigenen Interesse. Demokratische Sys- teme brauchen demokratische Parteien — im Bund, im Land und erst recht in der Stadt.

Nur mit Instagram und Facebook-Gruppen ist auch Wuppertal nicht zu machen.

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