Offen gesagt Nur geflickt, nicht repariert
Gesehen hat die Gathe vermutlich jeder Wuppertaler schon mindestens einmal. Ganz zu schweigen von den Einpendlern aus dem Umland, die Elberfeld über die A 46 erreichen. Die meisten werden denken, „Hauptsache schnell weg“.
Wer will es Ihnen verdenken? Die Straße ist alles andere als ein Schmuckstück. Was von urbaner Eleganz geblieben ist, verdecken der Dreck, den die Autos in die Luft pusten, und bunte Lichtreklamen, deren Form keiner Regel folgt. Spielhalle reiht sich an Tätowier-Laden, dazwischen gibt es Döner und alles, was es auch in Izmir gibt. Nur Potenzial gibt es kaum und einen Plan, wie die Gathe alten Glanz mit neuem Glanz verbinden könnte, hat überhaupt niemand. Das liegt ausdrücklich nicht an den Bewohnern und Geschäftsinhabern der Straße. Sie sind alleingelassen, sehen zu, dass ihr Leben an der Straße halbwegs funktioniert. Das ist anstrengend genug.
Es gibt Leute, die sagen, die Gathe sei die einzige Stelle, an der Wuppertal wirklich eine Großstadt ist. Wenn Großstädte allerdings überall so wären, sollte Wuppertal auf keinen Fall weiter wachsen.
So ein Wachstum lässt sich andererseits auch organisieren. Grundsätzlich gilt, dass viel nicht unbedingt viel hilft. Wuppertal erlebt in den vergangenen Jahren zwar Zuwanderung, aber es ist eine Zuwanderung in die Sozialsysteme, von Menschen, die der Hilfe bedürfen und sie in Wuppertal erhalten. Gott sei Dank.
Aber Wuppertal braucht auch ein anderes Wachstum. Es braucht Bürger, die hier sich einbringen, hier Geld ausgeben wollen, die ihre Kinder hier in den Kindergarten und zur Schule schicken. Wer solche Zuzüge haben will, der muss sich mehr und anders um seine Stadt kümmern. Das Beispiel Gathe zeigt, dass dies nicht geschieht. Das unterscheidet diese Straße allerdings nicht von anderen Gebieten in der Stadt. Aber etwa auf dem Ölberg, am Ostersbaum, um die Mirke und an einigen anderen Stellen Wuppertals kümmern sich Bürger um ihr Umfeld. Anderswo gibt es eine solche Gemeinschaft auch aus Gründen der Bevölkerungsstruktur nicht. Projekte wie „Soziale Stadt“ in Oberbarmen oder Heckinghausen können gegen diese Blöße nicht mehr als ein Feigenblatt sein.
Aus diesem Grund und überhaupt sind jene gefordert, die im Verwaltungsvorstand der Stadt Wuppertal dafür bezahlt werden, und jene, die sich als Politiker in den Rat haben wählen lassen. Und es ist höchste Zeit, sich etwas einfallen zu lassen. Denn dem Bekenntnis zu einem Zentrum Wuppertals, der fast schon epochalen Entscheidung, den Döppersberg endlich umzubauen, folgt Ernüchterung, wenn sich von der anderen Seite des neuen Zentrums der Niedergang weiter ausbreitet. Erst war es die Gathe, inzwischen hat die Abwärtsbewegung auch das Gebiet um die Rathaus Galerie erreicht.
Dem durchaus interessanten Vorschlag, aus dem Karlsplatz und der Galerie einen hochwertigen orientalischen Markt zu machen, ist dennoch bisher nur Schweigen gefolgt. Andere Städte, wie etwa Köln, sollen solche Projekte verfolgen. In Wuppertal hingegen macht sich noch nicht einmal mehr irgendeiner die Mühe, die Idee von Jörg Heynkes schlecht zu finden. Vermutlich ist die Angst davor zu groß, nach einer Alternative gefragt zu werden. Rat und Verwaltung sehen der Verelendung anscheinend lieber weiter tatenlos zu.
Diese Ignoranz ist fatal. Vor allem vor dem Hintergrund, dass in 500 Metern Luftlinie Richtung Süden Stadt und Privat derzeit annähernd 300 Millionen Euro in die neue City investieren. Auf diese Weise wird die Wuppertaler Innenstadt allenfalls geflickt, repariert wird sie nicht.