Ein Präsident auf dem Holzweg

offen gesagt

Das Bemühen Thomas Meyers um mehr Zusammenarbeit im Bergischen Städtedreieck verdient Respekt und Unterstützung. Aber in seiner Rede zum Neuen Jahr ist der Präsident der Industrie- und Handelskammer Wuppertal, Solingen, Remscheid eindeutig ein paar Schritte zu weit gegangen. Damit sei nicht kritisiert, dass er in Teilen fiktiv über die Region in zehn Jahren gesprochen hat. Visionen sind, anders als Helmut Schmidt meint, schließlich kein Fall für den Arzt, sondern notwendig, wenn sich eine Gesellschaft strukturiert entwickeln soll.

Aber scheinbar qua Amt zu entscheiden, was im Bergischen Städtedreieck wo angesiedelt wird, das steht auch einem IHK-Präsidenten nicht zu, der sich selbst als „politisch“ bezeichnet.

Es ist eben nicht politisch, den Remscheidern ein Designer-Outlet-Center zu wünschen, während Wuppertal noch mit sich ringt, ob es etwas Ähnliches am Döppersberg ansiedeln kann. Dass die IHK den potenziellen Investor des Remscheider Outlet-Projektes zum Empfang eingeladen hatte, war eine klare Botschaft an die Wuppertaler: Bemüht euch erst gar nicht. Die Würfel sind gefallen.

Das sind sie aber nicht. Bei allem Verständnis für das Bemühen, die drei Bergischen Städte zu mehr Kooperation zu bewegen, letztlich bleiben sie doch eigenständig. Wuppertal muss sich weiterentwickeln können, ohne bei der IHK um Zustimmung bitten zu müssen.

Diese Stadt steht nach Jahren des Stillstandes endlich vor Veränderungen, die ihre Rolle in der Region neu definieren werden: Der Döppersberg als Eingangstor vielleicht mit einem Outlet-Center, vollständige, wenn in Teilen auch verkleinerte Kultureinrichtungen, die womöglich noch um ein gewichtiges Tanzzentrum erweitert werden, die Universität, die Junior Uni, Ikea, die Nordbahntrasse als Freizeit- und Verkehrsachse, erstklassige Wohngebiete etwa auf Lichtscheid, aber auch entlang der Trasse — all das sind Parameter, die ein Oberzentrum beschreiben. Und genau das ist die Rolle, die Wuppertal in Zukunft spielen wird, auch zum Wohle von Remscheid und Solingen.

Dennoch hat Meyer recht, wenn er für mehr Zusammenarbeit wirbt. Kooperation ist dort gut, wo sie einen geldwerten Vorteil mit sich bringt. Sie ist schlecht, wenn sie Stadtentwicklung behindert.

Gemeinschaft ist gut, aber nicht um jeden Preis. Der IHK-Präsident ist auf dem Holzweg.

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