Offen gesagt Die Formel für Lebensqualität

Wuppertal. Wer seine WZ in den vergangenen Wochen und Monaten gelessen hat, weiß, dass es nicht sonderlich rund läuft im Wuppertaler Rathaus. Manches davon, wie die Abberufung eines irrtümlich eingestellten Dezernenten, ist sichtbar.

Offen gesagt: Die Formel für Lebensqualität
Foto: Schwartz, Anna (as)

Das meiste funktioniert hinter verschlossenen Türen nicht. In und um das Rathaus ist ein seltsames Vakuum entstanden, ein sich Belauern, ein Warten darauf, wer etwas macht, wenn überhaupt, und dann aber am besten falsch. In Fachkreisen wird das Beamtenmikado genannt, und die einzige Regel lautet: Wer sich zuerst bewegt, der hat verloren.

Das ist deswegen schade, weil Wuppertal gerade an diesem Wochenende etwas vorweisen kann, was nicht so vielen anderen Kommunen gelingt. Die Stadt organisiert eine Jahrhundertbaustelle, und die Baustelle funktioniert. Dass Oberbürgermeister Andreas Mucke in diesem Zusammenhang gern Grüße nach Berlin, Stuttgart und Hamburg sendet, weil Flughafen, Bahnhof und Elbphilharmonie eine andere Geschichte haben, mag ein bisschen zu vollmundig wirken. Aber es ist ja nicht ganz unbegründet. Die Stilllegung der B 7 war für drei Jahre angekündigt, sie endet fast drei Wochen vor der Zeit. Das ist bemerkenswert, bemerkenswerter jedenfalls als das Ergebnis. Ein paar Fahrspuren weniger hätten es nämlich auch getan, und die wären zukunftsweisender gewesen.

Statt dessen setzte Wuppertal eine uralte Planung um, die einer Epoche entstammt, in der das Auto seine beste Zeit noch vor sich zu haben schien. Das ist jedoch längst anders, floss in die neuen Ideen für den Döppersberg bedauerlicherweise aber nicht ein.

Genau das erklärt den Umstand, dass eine wichtige Institution am Wochenende unter den Feiernden fehlen wird. Das weltweit renommierte Wuppertal Institut fühlte sich nicht bemüßigt, als zentrale Kraft in den Jubelchor um das mächtige Stück Teer zwischen Morian- und Kasinostraße einzustimmen. Aus gutem Grund. Die Nachhaltigkeitsforscher vom Döppersberg sehen jeden Tag das Elend, das die Asphaltmaschinen im neuen Zentrum Wuppertals angerichtet harben. Das breite schwarze Band symbolisiert das Gegenteil von dem, was die Wissenschaftler propagieren. In einer zurecht weltweit beachteten Feldforschung versuchen die Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit der Universität aufzuzeigen, wie Gesellschaften sich verändern und welche Bedingungen notwendig sind, damit Zusammenleben unter neuen Bedingungen wie Digitalisierung, Klima- und demografischer Wandel funktioniert. Dass dabei das Auto keine Hauptrolle mehr spielt, gilt längst als sicher und ist eher ein Nebenaspekt.

In Wuppertal jedoch spielt individuelle, motorisierte Mobilität indes noch eine Hauptrolle im Denken und Handeln von Stadtplanern, Stadtverwaltern, Kommunalpolitikern und Einzelhändlern. Deshalb hat Wuppertal mit dem neuen Döppersberg eine Chance verpasst. Schade.

Und dennoch besteht an diesem Wochenende aller Grund, zu feiern. Die Stadt ist aus dem Tunnel gekommen, die Menschen gehen wieder unter freiem Himmel vom Bahnhof in die City, vieles im neuen Zentrum der Stadt ist viel besser, schöner als zuvor. Das ist alle Anstrengungen wert und ein Beleg für die Entscheidungskraft, die Wuppertal vor einigen Jahren einmal hatte. Nun gilt es, diese Kraft schnell wiederzufinden.

Dann ist es auch für das berechtigte Anliegen des Wuppertal Instituts noch nicht zu spät. Dann ist die Stadt vielleicht in der Lage, ein Konzept zu entwickeln, in dem sich Busse, Autos, Fahrradfahrer und Fußgänger die öffentlichen Verkehrsräume so teilen, dass allen gedient ist.

Gesucht wird mithin die Formel für mehr Lebensqualität. Wuppertal kann sie finden. Mit Beamtenmikado wird das allerdings nichts.

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