Offen gesagt Alles ist möglich

Wuppertal. Wuppertal hat hohen Besuch. Für ein halbes Jahr sind Auguste Rodin und Edgar Degas zu Gast. Nicht persönlich, das wäre ein Wunder der Natur, dafür aber mit ihren Werken, ihren Gemälden und Skulpturen.

Offen gesagt: Alles ist möglich
Foto: Schwartz, Anna (as)

Die beiden galten als Revolutionäre ihrer Zeit und sind seit 1900 unumstrittene Weltstars der Kunst. Und einige ihrer schönsten, besten, erstaunlichsten und teuersten Werke sind nun in Wuppertal zu sehen. Das ist nicht selbstverständlich und deshalb der Erwähnung wert. Denn bei allem Sinn für die Schönheit und das Liebenswerte Wuppertals: Diese Stadt ist nicht der Nabel der Welt, sie ist nicht Paris, New York oder Tokio.

Aber von Zeit zu Zeit rückt sie in den Blickpunkt. Dann sind Pressekonferenzen international besucht und richtet sogar die große ARD den Blick auf die vermeintliche Provinz. Der das erreicht, ist ein bayerischer Wahldüsseldorfer. Beides sei Gerhard Finckh verziehen. Denn was er als Leiter des Von der Heydt-Museums zu Werke bringt, wiegt diesen kleinen Makel auf. Ihm gelingt, wonach viele seiner Kollegen in vielen anderen Städten vergeblich streben. Er holt Kunstwerke nach Wuppertal, die ohne sein Wirken und ohne die Unterstützung von Sponsoren wie etwa der Jackstädt-Stiftung nie am Turmhof zu sehen wären. Vor sieben Jahren standen Gäste aus ganz Europa Schlange, um sich in Wuppertal die Bilder von Claude Monet anschauen zu können. Außerdem Kandinsky, Pissaro, Sisley, Rubens, zuletzt Tony Cragg, nun Degas und Rodin — große Namen in einer Stadt, die viele für viel zu klein halten. Werke solcher Künstler gehören doch in die Museen mindestens von Düsseldorf, Köln, Berlin oder München. Aber Wuppertal?

So denkt Gerhard Finckh nicht. Für ihn sind Wuppertal und das Von der Heydt-Museum in der internationalen Kunstszene ganz selbstverständlich Partner auf Augenhöhe. Wenn der Pariser Louvre sich etwas aus dem Bestand des Wuppertaler Museums leiht, dann auch umgekehrt, bitteschön. Vielleicht paart sich bei Finckh bayerisches Selbstbewusstsein mit rheinischer Forschheit. Auf jeden Fall bekommt er fast alle Werke, die er für seine regelmäßigen großen Ausstellungen haben will. Durch Finckh spielt Wuppertal in der Champions League der Museen.

Davon werden viele der gut 355 000 Wuppertaler nichts mitbekommen, weil sie nicht ins Museum gehen. Das ist ein bisschen bedauerlich, weil sie diesmal perfekte und ergreifende Ästhetik verpassen, die Rodin und Degas in Marmor und Bronze, in Kohle und Ölfarbe konserviert haben, aber es ist nicht schlimm.

Schlimm ist, dass die selbstbewusste Arbeitsweise von Gerhard Finckh in Wuppertal zu wenig Schule macht. Was wäre nicht alles möglich, wenn Dezernenten und Politiker gegenüber Investoren nicht wie Bittsteller aufträten? Was hat Wuppertal nicht alles schon erreicht, weil Menschen wie Finckh, Carsten Gerhardt (Nordbahntrasse), Ernst-Andreas Ziegler (Junior Uni) und Günter Völker (Theater am Engelsgarten) an ihre Ziele glaubten? Was könnte Wuppertal nicht alles erreichen, wenn es auch im Rathaus mehr solcher Macher gäbe?

Alles ist möglich. Ein paar Leute im städtischen Kulturbetrieb scheinen das begriffen zu haben, als sie den Vertrag von Finckh - durchaus unüblich - über dessen Renteneintrittsalter hinaus um zwei Jahre verlängerten. Die Kulturfreunde werden es ihnen danken. Und auch allen anderen Wuppertalern wäre es eine Freude, wenn sich die sogenannten Entscheider in Politik und Verwaltung von der Arbeitswweise dieses Museumsdirektors ein paar Scheiben abschnitten.

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