Radtour auf der Nordbahntrasse — von Vohwinkel bis nach Langerfeld

Gut neun Kilometer Strecke sind zwischen Homanndamm und Rotter Tunnel zu befahren — dazu kommen noch drei Kilometer Strecke ab dem Bahnhof Wichlinghausen. Die Umfahrung durch Barmen ist kein Problem.

Wuppertal. Sie sind praktisch auf der Nordbahntrasse „zu Hause“: Lutz Eßrich, „der Trassenscout, den jeder kennt“, wie es kürzlich noch in der WZ hieß, und Klaus Lang vom ADFC-Kreisverband Wuppertal/Solingen. Oft genug sind sie zwischen Vohwinkel und Nächstebreck auf der ehemaligen Bahnstrecke unterwegs. Eßrich, weil der 67-Jährige unter anderem die Führungen der Wuppertal Bewegung leitet, und Lang schon deshalb, „weil es mein Arbeitsweg ist“. Zum Haspel fährt der 54-Jährige natürlich bevorzugt mit dem Rad.

Doch eine komplette Radtour über die Nordbahntrasse — inklusive aller Umfahrungen, dort, wo es notwendig ist? Die haben die Beiden auch eher selten unternommen.

Los geht’s am Homanndamm in Vohwinkel. Gut zwölf Kilometer Radstrecke liegen vor den Fahrern, die die WZ begleitet. Etwa 22 Kilometer werden es sein, wenn die Trasse einmal fertig ist. Doch schon jetzt lohnt sich eine Tour, und immer mehr Wuppertaler kommen auf den Geschmack, das haben auch die beiden Trassen-Profis gemerkt. „Es ist einfach viel mehr los“, sagt Eßrich, und Lang fügt, als zwei Damen vorbeiradeln, schmunzelnd hinzu: „Da werden auch schon mal die Klappräder aus den 1970er Jahren wieder aus dem Keller geholt.“

Fahrradfahren praktisch ohne Steigungen? Das war in der Prä-Trassen-Ära fast undenkbar. Vorbei an der Tennisanlage des ESV West führt die Strecke umrahmt von viel Grün am Rand Richtung Osten. Am Zugang Benrather Straße (Großmarkt) gibt es auch eine Ausschilderung zur Anbindung an die Sambatrasse.

Am Zugang Eskesberg gibt es derzeit das einzige, zumindest fast unmittelbar an der Trasse liegende Gastronomieangebot auf dem Abschnitt, die Pizzeria Restaurant Eskesberg an der Tennishalle. Ein Stück weiter wartet dann der Tunnel Dorp. Der ist seit kurzem geöffnet, provisorisch wohlgemerkt. Asphaltiert ist die 488 Meter lange Strecke durch den Tunnel samt dem Eingangs- und Ausgangsbereich nämlich nicht. „Für Rennräder ist das nichts“, sagt Eßrich, der aber froh ist, dass die Stadt den Tunnel geöffnet hat, auch wenn die hohen Kosten im Moment schmerzen. Licht ist allerdings Pflicht am Rad, schließlich sind auch viele Fußgänger im Tunnel unterwegs.

Wer sich den Tunnel ersparen möchte, kann ihn aber auch umfahren. Der Zugang Dorp bietet dafür Schiebehilfen. Anschließend geht es bei der Umgehung über den Otto-Hausmann-Ring, die Nüller Straße und die Funckstraße zum Ottenbrucher Bahnhof — mit kleinen Steigungen, aber immer noch relativ komfortabel.

1879 wurde der Ottenbrucher Bahnhof eröffnet, seit der Stilllegung der Rheinischen Strecke ist dort Gastronomie beheimatet. Unter der Woche abends und am Wochenende lockt der Biergarten Gäste an. Dort beginnt das wahrscheinlich bisher am meisten genutzte Stück der Trasse. Jogger, Skater, Spaziergänger, Hundehalter und natürlich Radfahrer — sie alle sind dort unterwegs. Doch wo viel los ist, sind auch die Schattenseiten des Betriebs zu sehen. Die Stromkästen an der Strecke mussten zum Beispiel eingemauert werden. „Die wurden sonst oft umgestoßen“, sagt Eßrich und schüttelt angesichts des Vandalismus’ den Kopf.

Zwar bietet der Abschnitt wenig Grün, dafür aber andere interessante Ausblicke, etwa auf alte Firmen- und Fabrikgebäude. Was fehle, so Eßrich und Lang, seien aber die Halteplätze. Einen gibt es auf dem Abschnitt — es wird wohl erst einmal der einzige auf der gesamten Trasse bleiben. „Eigentlich sollte es alle 500 Meter und an markanten Punkten und Sichtachsen solche Flächen geben. Sie sind aber den hohen Kosten zum Opfer gefallen.“

Dabei sei es wichtig, solche Rastplätze zu haben. „Wenn hier später mal Hochbetrieb herrschen wird, werden bis zu 40 000 Menschen an einem sonnigen Sonntag die Trasse nutzen“, schätzt Lang. Radler-Gruppen seien dann sicher dankbar, wenn sie solche Ausweichbuchten hätten, „etwa, um mal anzuhalten, um auf die Karte zu schauen oder einfach ein Päuschen zu machen — ohne direkt die ganze Trasse zu versperren“. Immerhin: Bänke sollen nach und nach aufgestellt werden. „Dafür suchen wir noch Sponsoren“, sagt Eßrich.

Wo früher gerne illegale Partys gefeiert wurden, kann seit längerem geradelt werden: Der Dorrenberg-Tunnel, auch bekannt als Tanztunnel, lässt sich einfach durchfahren. Und schöne Ausblicke gibt es auch direkt an der Trasse: An der Stützmauer an der Briller Straße haben sich Dutzende Graffiti-Künstler in der „Hall of Fame“ verewigt — ganz legal.

Viel los ist auch rund um den Bahnhof Mirke, der gerne als Zugang zur Trasse aus der Nordstadt und natürlich als Pausenstation genutzt wird. Ab 1. September wird dort der „Hutmacher“ öffnen und Gastronomie anbieten. Nach dem Durchqueren des Tunnels Engelnberg sind Eßrich und Lang bereits am Ostersbaum angekommen.

Auf dem weiteren Weg lassen verblasste oder übermalte Hinweisschilder und alte Bahnhofsbezeichnungen die Historie der Bahnstrecke wieder aufleben. Das besprayte Wartehäuschen am Ostersbaum steht dort allerdings erst seit kurzem. „Vorher stand es am Bahnhof Loh“, erzählt Lutz Eßrich im Vorbeifahren. „Dort ist es aber immer wieder beschädigt worden.“

Wer will, kann sich sonntags bei trockenem Wetter (oder nach Terminabsprache) am Bahnhof Loh ein „Wettrennen“ mit der Draisine liefern, die auf einem übrig gebliebenen Stück der alten Trasse fährt und vor allem bei jüngeren Gästen Begeisterungsstürme auslöst. Und für ein Päuschen zwischendurch kann das Café Tacheles im ehemaligen Bahnhofsgebäude angesteuert werden.

Zugänge gibt es auf dem Teilstück übrigens einige, und bis auf den Zugang Ostersbaum, der nur durch eine Treppe erreichbar ist, sind alle einfach zu beradeln. Der Abschnitt endet an der Buchenstraße — vor dem Rotter Tunnel. Dort heißt es erst einmal Abschied nehmen von der Trasse. Bis Wichlinghausen gibt es derzeit nur den Weg durch die Stadt — doch das klingt anstrengender, als es wirklich ist.

„Wie komme ich wieder auf die Trasse?“ Diese Frage stellen sich viele, wenn sie — gezwungenermaßen — am Rotter Tunnel die Nordbahntrasse verlassen müssen. Bislang gebe es noch keine komplette Beschilderung, räumen Eßrich und Lang ein. Aber die sei in Planung, wie so vieles. Denn mit der Zahl der Trassennutzer steige auch die Zahl derer, die sich nicht von einer Fahrt mitten durch die Barmer City abschrecken lassen.

„Ein Problem sind die Einbahnstraßen“, sagt Lang. So ist zum Beispiel die Straße Oberdörnen für Radfahrer auf einem Teilstück nicht in beiden Richtungen geöffnet. „Das macht schon einen Umweg aus.“ Zumindest, wenn man aus Richtung Westen kommt. Doch der Rest der Umfahrung ist mit dem Rad einfach zu schaffen. Auch Steigungen bleiben die Ausnahme. Unter anderem geht es vorbei an der im Bau befindlichen Junior-Uni. „Das ist hier noch ein Trampelpfad, wird aber noch ausgebaut“, sagt Lang und weist auf den Weg entlang der Wupper hin. Einige der später folgenden Radwege sind besonders komfortabel, weil breit angelegt. „Die sind bereits im Hinblick auf die kommende Trasse so konzipiert worden“, erklärt Klaus Lang.

Lutz Eßrich blickt bei der Fahrt durch Barmen schon einmal in die Zukunft. „Der Zugang Heubruch wird dann sicher der große Innenstadt-Zugang zur Trasse sein, auch wenn man sein Rad ein Stückchen hochschieben muss.“

Zurück auf der Trasse: Am ehemaligen Bahnhof Wichlinghausen, in Nachbarschaft zum Schulzentrum Ost, beginnt die asphaltierte Strecke wieder. Dort nahm das Projekt Nordbahntrasse übrigens auch seinen Anfang: Das erste Probestück des Rad- und Fußweges verläuft seitdem an dieser Stelle, worauf Eßrich stolz hinweist. Baustellen säumen aber auch jetzt den Weg, denn dort sind weitere neue Projekte in Planung. Neben dem alten Bahnsteig ist die Grube bereits ausgehoben. Bald sollen dort Parkour-Sportler über Hindernisse springen und klettern. Der Radweg führt weiter aufs Bergische Plateau, vorbei an der Skatehalle Wicked Woods und dem Café Nordbahntrasse — ideal für eine Pause, nachdem die Umfahrung durch die Stadt hinter einem liegt. Abgesehen davon ist das Café auch das letzte Gastronomieangebot auf der Trasse Richtung Osten.

„Da drüben auf der Wiese soll übrigens bald die Rad- und Wanderkapelle entstehen“, erklärt Lutz Eßrich und weist auf das Grundstück schräg gegenüber von Wicked Woods hin. Das Wichernhaus sucht derzeit Sponsoren für das Projekt, das bisher wohl einmalig in der Region ist.

Weiter geht es mit dem Rad vorbei an Neubauten. Auf dem Bergischen Plateau wird immer noch kräftig gebaut. „Wir freuen uns, dass das Gelände so toll angenommen wird“, sagt Klaus Lang. Gerade in der Anfangsphase habe es viele Skeptiker gegeben. Doch die Eisenbahnbrache ist längst Geschichte. „Da oben, wo die Bäume stehen, stand damals noch der Wasserturm des Bahnhofs“, erinnert sich Eßrich, der aber viel lieber den Radweg und Wohngebiete als ungenutzte Gleisanlagen sieht.

Doch bis das gesamte Gelände bebaut ist, wird noch einige Zeit vergehen. Links und rechts der Nordbahntrasse befinden sich im östlichen Teil des Plateaus derzeit nur Rohbauten oder Baugruben. Schlusspunkt ist an der Straße Am Diek, wo es wieder in den Wuppertaler Straßenverkehr geht — wenn auch nur kurz.

Landschaftlich der vielleicht reizvollste Abschnitt — aber für Fahrräder nur bedingt zu empfehlen: Die Piste ist geschottert, und das nach ein paar hundert Metern auch noch ziemlich grob. Klaus Lang und Lutz Eßrich, beide mit E-Bikes unterwegs, winken ab. „Da sollte man höchstens mit dem Mountainbike lang fahren — oder gleich spazieren gehen.“ Denn — da sind sich beide einig — der Aufwand lohnt sich.

Zwischen den bewachsenen Hangwänden fühlt sich der Trassennutzer — egal, ob auf dem Rad oder per pedes — längst nicht mehr wie in einer Großstadt. Und spätestens, wenn die Hänge weichen und den Blick aufs Gelände freigeben, ist man endgültig in der Natur angekommen. „Irgendwann wird es auch den Anschluss über den Tunnel Schee an die anderen schon ausgebauten Trassen geben“, blicken Eßrich und Lang in die Zukunft. Und zumindest das erste Teilstück Richtung Bracken und Schee wird bald mit dem Rad befahrbar sein. Noch in diesem Jahr soll die Strecke zumindest planiert werden, wie Eßrich ankündigt.

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