Auf dem Weg zum Marathon Christa Vahlensieck: Die erste Marathon-Vorzeigefrau

Christa Vahlensieck hat die Langstrecke für Frauen auch in Deutschland populär gemacht. Im Trikot des BTV lief sie zwei Weltrekorde.

Christa Vahlensieck in den 70er Jahren beim Zieleinlauf beim Friedensmarathon in Kosice — und heute als leidenschaftliche Joggerin.

Christa Vahlensieck in den 70er Jahren beim Zieleinlauf beim Friedensmarathon in Kosice — und heute als leidenschaftliche Joggerin.

Foto: Fotos: Jirousek/A. Schwartz

Wuppertal. Lange Läufe waren für Christa Vahlensieck schon eine Leidenschaft, als sie noch Kofferschläger hieß und Frauen im Wettkampf als längste Strecken 800 und 1500 Meter laufen durften. Dass man denen in den 60er-Jahren — ob national oder international — nicht mehr zutraute, darüber kann die heute 67-Jährige nur müde lächeln. Sie war eine Frau der ersten Stunde, als der Marathon auch für Frauen langsam in Deutschland Fuß fasste, und verdankt den 42,195 Kilometern ihre größten Erfolge, bis sie 1989 nach einer großen Karriere mit dem Wettkampfsport aufhörte.

Laufen ist bis heute ihre Leidenschaft geblieben. Jeden zweiten Tag schnürt sie mit einem Lauffreund am Jagdhaus die Joggingschuhe für ein lockeres Ründchen, das aber stets mehr als zehn Kilometer umfasst. Ganz so kämpfen wie die US-Marathon-Vorkämpferin Kathrine Switzer, die 1967 durch ihre verbotene Teilnahme am Boston Marathon für Schlagzeilen sorgte, musste Christa Vahlensiek nicht. Aber wie souverän sie den ersten Frauen-Marathon in Deutschland absolvierte, mag so manchen Hardliner des männlichen Geschlechts überzeugt haben.

„Das Medieninteresse war riesig. Fernsehen und Radio waren da, alle Zeitungen berichteten“, erinnert sich Christa Vahlensieck an die deutsche Premiere, zu der Dr. Ernst van Aaken 1973 nach Waldniel eingeladen hatte. Tägliches Dauerlaufen für Jedermann lautete die Devise des Sportmediziners, den damals auch die BTV-Läuferinnen konsultierten.

„Was den Ausdauerlauf betrifft, haben Frauen gegenüber Männern sogar eher Vorteile“, nennt Professor Jürgen Freiwald, Leiter des Forschungsinstituts für Trainingsberatung an der Uni-Wuppertal den heutig wissenschaftlichen untermauerten Erkenntnisstand. Das liege unter anderem an genetisch bedingt größeren Fettreserven und einer anderen Struktur der Muskelfasern.

Christa Vahlensieck blieb auch ohne spezielle Marathonvorbereitung auf Anhieb unter drei Stunden. Fortan verlegte sie sich, motiviert von BTV-Trainer-Ikone Paul-Schlurmann, immer mehr auf die langen Strecken. Schlurmanns Motivationskünste waren auch 1974 gefragt, als Vahlensieck in Essen in 2:42,38 Stunden vermeintlich einen Weltrekord aufstellte, der aber nicht anerkannt wurde, weil die Strecke, wie sich nachträglich herausstellte, 745 Meter zu kurz war.

„Ich war so enttäuscht darüber, dass man mir den Rekord geklaut hat, dass ich schon aufhören wollte“, erinnert sich Vahlensieck lächelnd. Andererseits habe sie gesehen, wie stark sie sich durch spezielles Training noch verbessern konnte. Fünf Wochen zuvor war sie bei ihrem ersten Boston-Marathon noch 2:53 gelaufen und hatte erst danach das Trainingspensum auf 140 Kilometer pro Woche hochgefahren.

Ihr erster „echter“ Weltrekord war dann 1975 in Dülmen fällig. Zwei Jahre später lief sie in Berlin ihren zweiten und blieb über Jahre deutsche Spitze. Da arbeitete sie noch bei Enka in Wuppertal, gab erst in den letzten fünf Jahren ihrer Karriere ihren Beruf auf und verlegte sich ganz aufs Laufen. „Mit den populären Straßenläufen kam damals zunächst in Amerika das Preisgeld auf, und ich hatte so viele Einladungen, die ich durch meinen Beruf nicht wahrnehmen konnte“, begründete sie die Entscheidung, die sich für sie auszahlte. An ihr erstes Preisgeld von stattlichen 10 000 Dollar erinnert sie sich noch gut. Das war beim 1. Avon-Marathon in Los Angeles. Es war die Generalprobe für 1984, wo Frauen-Marathon an gleicher Stelle erstmals olympisch wurde. Vahlensieck lief in 2:33 das schnellste Rennen ihres Lebens. Die Spiele selbst verpasste sie aber aus Ärger über Verbandsfunktionäre. Die hatten sie 1983 erst nach langem Hickhack für die WM in Helsinki zugelassen. Durch die lange Ungewissheit unvorbereitet, wurde sie dort nur 19.. Als ein Funktionär dann schimpfte, „mit der Zeit braucht ihr nächstes Jahr gar nicht zu Olympia zu fahren“, kehrte sie dem Verband den Rücken. An den mussten damals nach Amateurregeln auch noch die Preisgelder zur Verwaltung abgegeben werden, konnten von den Athleten für bestimmte Anschaffungen aber abgehoben werden.

1984 wurde für Vahlensieck dennoch ein sehr gutes Jahr. Acht Marathons absolvierte sie und räumte in Abwesenheit vieler Athletinnen, die sich auf Olympia konzentrierten, reihenweise Pokale ab.

Ihr schönstes Erlebnis versichert sie, sei aber kein Wettlauf, sondern der Freundschaftslauf von Wuppertal nach Kosice gewesen. Als Wuppertals-Laufbotschafterin und Langläuferin aus Leidenschaft durfte sie dort nicht fehlen.

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