Sie war Wuppertals einzige Gesangs-Professorin

WZ-Interview: Barbara Schlick sagt: "Es ist schade, dass in Familien heute so wenig gesungen wird."

Frau Schlick, wer wüsste es besser als Sie: Kann eigentlich jeder singen?

Barbara Schlick: Wenn nichts Organisches dagegen spricht: ja. Wie gut, ist natürlich die Frage. Wenn man sprechen kann, kann man meist auch singen. Künstlerisch singen können allerdings nur wenige. Das ist nicht nur eine Frage des Talents, sondern vor allem auch ein großer Lernprozess und eine enorme Kraftanstrengung. Nur ein ganz kleiner Prozentsatz kann letzten Endes den Sängerberuf ergreifen. Aber das ist ja auch gut so: Sänger brauchen schließlich Publikum.

Schlick: Bei uns wurde immer viel gesungen. Meine Mutter hatte eine herrliche Stimme. Sie liebte Puccini-Arien und mein Vater hat sie am Klavier begleitet. Meine drei Schwestern und ich haben Kanons mit den Eltern gesungen. Und in der Kirche habe ich mich hinter meine Schwärme gesetzt und aus Leibeskraft gesungen. Ich dachte: Die müssen doch merken, wie gut ich das kann.

Schlick: Einen habe ich nach 35 Jahren wieder getroffen. Er hat sich tatsächlich noch an mich erinnert.

Schlick: Ja, seinetwegen bin ich damals auch nach Köln/Brühl gezogen und habe nach einer Stelle Ausschau gehalten, die in der Nähe liegt. Wenn man ein ganzes Leben lang als Konzertsängerin durch die Welt reist, möchte man das irgendwann nicht mehr. Als Dozentin wollte ich nicht mehr so weit fahren.

Schlick: Es war ganz allgemein eine tolle Zeit. Dass die Musikhochschule nicht so groß, sondern übersichtlich ist, war ein Segen. Ich hatte ein kleines Himmelreich mit sehr netten und kompetenten Kollegen - und die einzige Gesangsprofessur in Wuppertal. Ich konnte zusammen mit meinen Gesangslehrerkollegen sehr viel gestalten und war meine eigene Herrin. Ich erinnere mich an viele wunderbare Konzerte und ein bewegendes Abschiedsfest, das mir meine Studenten, Kollegen und die Verwaltung bereitet haben. Da war ich total gerührt.

Schlick: Ich habe Termine, Termine, Termine. Mein Ruhestand ist ein richtiger Unruhestand. Ich unterrichte weiterhin privat, gebe Meisterkurse und sitze in der Jury von Gesangswettbewerben.

Schlick: Bis auf ein paar Ausnahmen nur im privaten Kreis. Mit Freunden singe ich zum Beispiel in Paris. Aber "richtige" Konzerte gebe ich fast nicht mehr. Ich habe mit 60 aufgehört und möchte nicht mehr im öffentlichen Rahmen auftreten - obwohl meine Stimme noch fit ist. Nun sollen die Jungen singen. Ich beobachte sie mit Stolz und habe über das Internet sogar meine ersten Studentinnen wieder gefunden. Jetzt reise ich zu den Vorstellungen meiner Ehemaligen - quer durch die Republik.

Schlick: Das war immer je nach Lebensalter verschieden. Am meisten habe ich Bach gesungen - das war mein großer Herausforderer. Ich habe Bach geliebt, aber auch mit ihm gekämpft - mein Leben lang. Händel habe ich auch sehr gerne gesungen und dann später natürlich auch Lieder. Aber einen echten "Liebling" gibt es nicht. Fast jedes Mal, wenn ich Musik von Weltklasse erarbeitet habe, war ich richtig verliebt in sie. Es ist faszinierend, wenn man spürt, wie wunderbar die Musik ist, wie die Stimme klingen kann, wie viel Energie man hat und wie vielLust die gesungene Sprache erweckt. Singen ist eine der schönsten Lebensäußerungen, die es gibt.

Schlick: Nein, aber meine Enkeltöchter. Ich höre ihnen gerne zu. Denn ich finde es schade, dass in den Familien heute so wenig gesungen wird. Die Ablenkung durch Medien ist vielleicht zu stark. Dabei macht das Singen so viel Freude. Da ist es letztendlich vielleicht nicht so wichtig, ob man Kanons, Kirchen-, Karaoke- oder Wanderlieder singt. Hauptsache, man lässt seine Stimme klingen.

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