Seltsam-verrücktes Paar: Peter und Kirio

Heitere Hintergartenlesung mit Maresa Lühle und Thomas Braus im Bildungswerk.

Seltsam-verrücktes Paar: Peter und Kirio
Foto: afi

Hintergärten können (viel) schöner sein als das Wort vermuten lässt — als wunderbare Kulisse für eine ausgelassene wie professionelle Lesung. Mit einem eingespielten Team und zwei Büchern, die um zwei seltsam-verrückte Protagonisten kreisen, die zwischen Wahrheit und Lüge perfekt hin und her wandeln. Und deshalb auch für die Literatur Biennale ausgewählt wurden. Am Mittwoch trafen sich die Schauspieler Maresa Lühle, Hamburg (ehemals Wuppertal), und Thomas Braus, Wuppertal (wo er auch Schauspielintendant ist), zur Hintergartenlesung im Katholischen Bildungswerk, um eine heitere, die Grenzen des Normalen sprengende Lesung unter dem Titel „zwei mal drei macht vier“ zu inszenieren. Wozu auch der Ortswechsel zwischen Hintergärten, Saal und Bühne gehörte.

„Peter Holtz. Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst“, heißt der knapp 600 Seiten dicke Roman von Ingo Schulze aus dem Jahr 2017 um einen naiven oder naiv sich gebenden Ost-Schelm, der zwischen 1974 und 1998 nicht nur erwachsen wird, während die DDR unter- und in die BRD übergeht, sondern auch noch eine Karriere vom Waisenkind zum Millionär hinlegt, dabei als Narr viele Wahrheiten (über Kapitalismus, über politische Parteien und Politiker, über Kirche und menschliche Schwächen und anderes mehr) ans Licht bringt. Thomas Braus genießt sichtlich die einfache, trockene und dadurch unterhaltsame Sprache, die Situationskomik, die amüsant-entlarvenden Geschichten. Mit ihm die Zuhörer, die immer wieder schmunzeln müssen.

Mit knapp 230 Seiten kommt „Kirio“ von Anne Weber deutlich schlanker daher. Die Geschichte um das Wunderkind, das lieber auf den Händen als auf den Füßen läuft, das in Südfrankreich auftaucht und im Hanau der Brüder Grimm verschwindet, erschien ebenfalls 2017. Maresa Lühle liest die erzählende Stimme, bei der man nicht weiß, wem sie gehört. Liest die Passage über den verhinderten Muttermord, weil das Baby Kirio just in dem Moment einen lauten Schrei von sich gibt, als im Stockwerk über ihm ein Sohn seine schlafende Mutter schlagen will, was die dadurch Erwachende verhindert, indem sie ihm das Mordwerkzeug aus der Hand nimmt. Auch Lühle vertieft sich in die Geschichte, hat Freude an Figuren und Handlungen.

So weckt Vorlesen den Geschmack auf mehr, aufs Selberlesen. Solcherlei Lügen können wirklich schön sein. mws

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