Wuppertal Religion: Ein Fach für Minderheiten?

Oft fehlen die Lehrer, manchmal auch die Schüler. An der Barmer Hauptschule Emilienstraße wurde der katholische Religionsunterricht ganz eingestellt.

Wuppertal: Religion: Ein Fach für Minderheiten?
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Wuppertal. „Nun sag’, wie hast Du’s mit der Religion?“ — die vielzitierte Gretchenfrage aus Goethes Faust scheidet schon lange nicht mehr die Geister. Immer weniger Jugendliche bekennen sich zu einer Konfession. Dennoch steht das Fach in den Schulen verpflichtend auf dem Lehrplan. „Das Bildungsziel der Wertevermittlung ist im Grundgesetz verankert. Schüler können sich nur aus Gewissensgründen vom Religionsunterricht abmelden. Häufig geschieht das in den Klassen sieben und acht als Teil des Entwicklungsprozesses“, sagt Michael Neumann, Schulreferent der katholischen Kirche in Wuppertal. Er plädiert dafür, die Schüler in dieser Phase auch ernst zu nehmen. „Viele melden sich später wieder an, denn die Frage nach dem Woher und Wohin beschäftigt sie schon.“

In einem guten Religionsunterricht gelinge es, diese existenziellen Themen mit der Lebenswirklichkeit der Kinder zu verbinden. „Auch wer nicht religiös ist, möchte wissen, warum es das Leid in der Welt gibt und warum es gerade ihn trifft“, sagt Beate Haude, Schulreferentin im evangelischen Kirchenkreis. Religionsunterricht sei heute anspruchsvoller, aber auch spannender. „Denn die kritische Auseinandersetzung mit Glaubensfragen führt zu einer toleranteren Gesellschaft. In der Diskussion lernen die Schüler auch zu akzeptieren, dass jemand etwas anderes glaubt.“

Für die Unterrichtsinhalte sind die Kirchen verantwortlich. Ihre Vorgaben fließen in die Lehrpläne des Landes ein. Religion unterrichteten in der Regel ausgebildete Lehrkräfte mit einer kirchliche beziehungsweise islamischen Beauftragung. „Voraussetzungdafür ist, dass derjenige der jeweiligen Konfession angehört und die Qualifikation bei den Kirchen oder dem Islamischen Beirat erwirbt“, sagt Jessica Eisenmann von der Bezirksregierung Düsseldorf.

In Wuppertal seien diese Lehrkräfte allerdings rar, berichtet Michael Neumann. „Das liegt an der Ausbildungsordnung und vielleicht auch an der Region. Viele Theologiestudenten der Bergischen Uni gehen nach ihrem Abschluss lieber ins Rheinland.“ An manchen Schulen fehlten inzwischen aber auch die nötigen zwölf Schüler, um einen christlichen Religionskurs anbieten zu können. „An der Hauptschule Emilienstraße gibt es schon einige Jahre keinen katholischen Religionsunterricht mehr. An der Grundschule Markomannenstraße findet in den Jahrgängen abwechselnd katholischer oder evangelischer Religionsunterricht statt, der für alle offen ist.“

An der Max-Planck-Realschule nehmen auch konfessionslose Jugendliche an evangelischer Religion teil, orthodoxe und muslimische Kinder sitzen im katholischen Unterricht. „Keiner unser Lehrer schaut nach dem Gebetbuch. Wir klären das bei der Aufnahme in einem Gespräch mit den Eltern“, sagt Schulleiterin Anke Dessel. Für alle Jugendlichen, die sich nicht für einen konfessionsgebundenen Unterricht entscheiden, steht praktische Philosophie auf dem Stundenplan. „Dort geht es um eine allgemeine Wertevermittlung und die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Weltreligionen, allerdings ohne Schwerpunkt.“

Das Johannes-Rau-Gymnasium bietet zusätzlich in den Jahrgängen acht und neun islamischen Religionsunterricht an. „Damit haben wir im Februar begonnen, weil die Nachfrage da war“, berichtet Schulleiterin Christiane Genschel. Sie profitiert von einer Sondersituation. „Ein Lehrer ist zum Islam konvertiert und hat die Lehrerlaubnis erworben.“ Die Inhalte orientieren sich an den Vorgaben des Landes. Für Christiane Genschel ist das zusätzliche Fach eine Bereicherung. „Es trägt zur Aufklärung bei, denn viele muslimische Schüler wissen wenig über ihre Religion. Das aufzuarbeiten schützt auch vor Radikalisierung.“

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