Praxissemester - Fluch und Segen zugleich

Larissa Stapelkamp studiert an der Bergischen Universität und berichtet, wie belastend die Lehrerausbildung sein kann. Auch deshalb, weil es im Praxisteil keine Bezahlung gibt.

Wuppertal. Neben der Theorie in der Uni schon mal in die Praxis hinein schnuppern und einen Eindruck davon bekommen, was die Studenten im Lehrerberuf erwartet. Das ist die Idee des Praxissemesters, das seit 2009 Bestandteil der Lehrerausbildung in NRW ist. Gleich nach dem Bachelor-Abschluss sollen die Studenten im Rahmen des Masterstudiums rund fünfeinhalb Monate in einer Schule hospitieren, den Unterricht gemeinsam mit Lehrern gestalten und vorbereiten und so schon einmal praktische Erfahrung sammeln.

So schön die Idee klingen mag, sie hat einen Haken: Die Studenten werden während des gesamten Praxissemesters nicht bezahlt. Außer den vorgesehenen 12,5 Stunden in der Schule, die eine Vorbereitung des Unterrichts noch nicht mit einbeziehen, stehen noch rund 18 weitere Stunden in der Universität sowie Forschungsprojekte an.

Laut einer Petition für die Vergütung des Praxissemesters sind das insgesamt rund 37,5 Stunden Zeitaufwand. Die Stundenanzahl in einem Semester ohne Praxis beträgt etwa 20 Stunden pro Woche. Da das Praxissemester nicht vergütet ist, müssen viele der Studenten nebenbei noch arbeiten.

Larissa Stapelkamp befindet sich gerade im Praxissemester an der Bergischen Universität. „Ich bin sehr gestresst“, sagt sie. „Ich habe zwei Jobs, zwei normale Fächer plus das Fach Bildungswissenschaften und eben noch die rund 20 Stunden in der Schule.“ Zeit für Freizeit bleibe da kaum. „Das Ganze wäre nicht so tragisch, wenn ich nebenbei nicht noch Arbeiten müsste“, meint Larissa. Eine Mindestvergütung des Praxissemesters würde ihr daher schon reichen.

Denn nicht nur die Freizeit muss sie hinten anstellen, sondern auch die Erfahrungen, die sie im Praxissemester machen sollte. „Momentan fehlt mir einfach die Zeit, den Unterricht ordentlich vorzubereiten. Ich werde dem Praxissemester nicht gerecht, weil ich eben auch auf die Noten angewiesen bin, die ich in der Uni bekomme. Daher muss ich mich stark auf meine Fächer konzentrieren.“

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Hinzu kommt, dass Larissa durch das volle Programm in Schule und Uni wenig Schlaf bekommt. „Die Belastung, die man in der Schule hat, wird oft unterschätzt. Der Lärmpegel ist sehr hoch, man wird optisch und akustisch stark belastet. Es ist ein kleiner Marathon, den man jeden Tag hinlegt.“ Denn um sich nach der Schule oder der Uni einfach zu entspannen fehlt die Zeit, schließlich muss die Studentin noch für ihren Unterhalt aufkommen und die Vorlesungen vor- und nachbereiten. „Ich habe das Glück, dass mich meine Eltern noch zusätzlich unterstützen. Einige Bekannte von mir gehen zusätzlich bis zu 30 Stunden arbeiten.“

Positiv überrascht hat Larissa trotzdem die Schule, in der sie arbeitet. „Das Kollegium ist toll und es macht mir Spaß, mit den Kindern zu arbeiten.“ Trotzdem könne Larissa nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen, die ihr das Praxissemester bietet. „Ich muss mich damit abfinden“, sagt sie.

Auf eine Vergütung des Praxissemesters gibt es vorerst keine Aussicht. „Im Praxissemester befinden sich die Lehramtsstudierenden in der ersten, hochschulischen Phase der Lehramtsausbildung und nicht in einem Beschäftigungsverhältnis. Das Praxissemester ist kein Praktikum, in dem Hochschulabsolventen Dienstleistungen für den Arbeitgeber erbringen“, sagt Jörg Harm, Sprecher des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW.

In einer Petition für die Entlohnung des Praxissemesters, die eine Wuppertaler Studentin 2016 vorgelegt hat, wird argumentiert, dass die Lehramtsstudenten bereits einen Bachelor-Abschluss haben — also ein abgeschlossenes Studium. Doch das Schulministerium hält dagegen: Die Studierenden verfügten nach ihrem Bachelor-Abschluss nicht über einen für das Lehramt berufsqualifizierenden Abschluss und befinden sich noch in der Ausbildung.

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