ANZEIGE WZ-Krimi 2018 Folge 5 - Kommissar Brinker: Das Phantom der B7

Zuerst hat er alle Wuppertaler Ampeln auf Rot gestellt, jetzt hat der verrückte Professor Bronsius die halbe A46 mit Tempo-30-Schildern gepflastert. Kommissar Moritz Brinker tappt derweil im Dunkeln, was es mit diesen Taten auf sich hat. Und WZ-Reporterin Tina Tonino? Sie ist dem Täter vielleicht auf der Spur ... Der Zeitungskrimi geht weiter — fiebern Sie mit und gewinnen Sie Karten für die Lesung im Juni!

In einer Sackgasse in Cronenberg
Nette Gegend, denkt Tina Tonino, als sie ihren Seat Arona in die Friedenstraße in Wuppertal-Cronenberg lenkt. Je weiter sie die hinunterfährt (schade, dass hier Tempo 30 gilt, ständig zuckt ihr Fuß überm Gaspedal), desto schöner werden die Häuser.
Hier also wohnt dieser seltsame Erfinder. Der Mann aus dem blauen UFO. Plötzlich ist der Gedanke einfach da. Und wieder weg. Das glaubt sie doch nicht wirklich, oder?
Die Frühlingssonne schickt Abendstrahlen über den hellgrün leuchtenden Wald hinter den Häusern, als sie ihren schicken neuen Wagen parkt.
Sie müsse einmal ums Haus herum, die Eingangstür befinde sich etwas versteckt, hat er ihr noch gesagt. So so. An der Mauer des Vorgartens kein Namenschild, keine Klingel, nur eine alte Gittertür. Sie tritt hindurch, läuft am Haus vorbei und runzelt die Stirn. Was das jetzt wohl wieder gibt. Aber sie denkt auch an Moritz Brinkers Worte. Was, wenn dieser Typ wirklich was mit dem Verkehrschaos der letzten Tage zu tun hat?
Der Mann aus dem blauen UFO. Dass morgen ihr Aufmacher sein wird. Ja, und mehr auch nicht.
Tina Toninos Herz klopft spürbar, als sie auf das Klingelschild schaut. Anneke und Bert Bronsius. Wenigstens ist er verheiratet, denkt sie. Als sie dann eine krächzende alte Stimme hört, die irgendwo von ganz oben den Namen „Beeert!“ durchs Haus krakeelt und direkt darauf eine recht helle männliche Stimme „Ja, Mutter!“, antwortet, denkt sie an was ganz anderes. Plötzlich hat sie Anthony Perkins in einem sturmumtosten Motel vor Augen und schaudert — als ihr die Tür geöffnet wird und ein großer, etwas dicklicher Mann in blauer Werkstattkluft entgegentritt.
„Hallo Frau Tonino. Da sind Sie ja. Na, dann kommen Sie mal rein. Ich muss nur noch schnell eine E-Mail verschicken, aber kommen Sie ruhig durch.“

Polizeipräsidium Wuppertal
„Nun setzen Sie sich erst einmal ganz in Ruhe, Frau ...“
„ ... Bott. Barbara Bott.“
„Frau Bott. Kaffee? Wasser?“
„Nur Wasser, danke, ich bin aufgeregt genug.“
Das merkt man, denkt Saskia Berger. Und sie denkt auch: Es ist schon weit nach sieben, vorhin haben wir die Meldung zu dem möglichen Lieferwagenmodell veröffentlicht, mit dem die Verkehrsschilder gestohlen wurden, und eigentlich hätte ich jetzt gerne mal Feierabend.
Sie hat sich ursprünglich mit einer Freundin zum Shoppen in den City-Arkaden verabredet. Mitte Mai hat sie Urlaub und ihre Sommerklamotten sind schon gefühlt fünf Jahre alt. Sie braucht dringend was Neues. Und nach einem Muttertagsgeschenk wollte sie auch schon mal schauen. Nur ... heute wird da nichts mehr draus, so viel steht mal fest.
Vor ihr sitzt eine schick gekleidete, gut aussehende Mittvierzigerin, der die Angst in den Augen steht. Kein Wunder. „Ich werde verfolgt“, mit diesen Worten hat sie irgendwann vorhin die Polizei gerufen. Zunächst haben die Kollegen eine Polizeistreife bei ihr vorbeigeschickt, die hat rund um Barbara Botts Haus nach dem rechten gesehen, was man eben so tut. Es gehe um Stalking, hat sich daraufhin ein recht hilflos wirkender Kollege direkt an Saskia Berger gewandt, und das sei wohl eher eine Sache für eine Frau, und sie habe da sicher Erfahrung. Die besagte Dame komme gerne runter in die Stadt, wenn das denn heute Abend noch ginge. Und sie, Berger, habe sicher die Kompetenzen, sich diesem sensiblen Thema anzunehmen.
Nein, wenn sie ganz ehrlich ist, hat sie noch kein Stalkingopfer befragt. Jedenfalls nicht in der Praxis. Aber sie hat genug Empathie und Fingerspitzengefühl. Und sie hat ja Zeit, richtig?
Barbara Bott zittert, während sie sich die Hände reibt und erzählt. Von dem seltsamen Kunden aus ihrem Berater-Chat bei der Sparkasse Wuppertal. Von seinen doppeldeutigen Bemerkungen, bei denen sie nie wusste, ob sie die als harmloses Geschreibsel abtun oder aber ernst nehmen solle. Von den Fotos, die sie danach bekam. Davon, dass sie ja das Bankgeheimnis wahren müsse und den Namen des Kunden keinesfalls nennen könne, wenn obendrein nicht klar sei, ob dieser überhaupt für die heimlich gemachten Fotos verantwortlich ist.

„Sie haben den Mann nie von Angesicht zu Angesicht getroffen, richtig? Ihren Kunden meine ich“, fragt Saskia Berger.
„Nein, er wollte immer nur per Telefon oder eben im Chat beraten werden. Für uns ist das gleich, die Beratung wird dadurch ja nicht schlechter oder so. Es ist einfach so ... mir fällt sonst niemand ein, der ... mein Exmann ist es jedenfalls nicht. Der ist in Island.“
„Was ja nichts heißen muss ...“
„Nein, das ... nein, nein.“
„Denken Sie noch einmal genau nach, Frau Bott. Außer Ihrem Kunden — wer könnte Sie verfolgen wollen? Eines der Fotos ist vor Ihrem Haus in Cronenberg entstanden. Vielleicht ... ein Nachbar? Hatten Sie da mal mit jemandem Streit? Nachbarn können zu Monstern werden.“
Saskia Berger sieht, wie ihr Gegenüber zusammenzuckt. Wieso ist ihr das jetzt rausgerutscht? So viel zur Empathie. Sie selbst hatte eine Zeitlang mal einen echten Monsternachbarn neben sich wohnen, der ... nein, jetzt bitte nicht daran denken.
Barbara Bott überlegt und schüttelt dann den Kopf. „Ich wohne da jetzt schon einige Jahre, fühle mich sehr wohl. Die direkten Nachbarn sind wirklich nett ... wir grillen im Sommer oft zusammen ... weiter unten die Leute kennt man ja nicht so ... da wohnt so ein etwas verschrobener Kerl mit seiner Mutter. Ich selbst hab den noch nie kennen gelernt oder so, aber ... Sie wissen ja, die Menschen reden gern. Auch über ihn, weil er wohl ständig im Geheimen am Werkeln ist und ihnen immer wieder mal was von großen Visionen und so erzählt. Aber ... so einen seltsamen Typen gibt es ja in jeder Straße.“
Stimmt, denkt Saskia Berger. Was sie nicht weiß, ist, dass die Reporterin Tina Tonino, mit der ihr Kollege Moritz Brinker seit einiger Zeit herumflirtet (nicht, dass sich darüber hinaus mal irgendetwas ergeben hätte oder sie das auch nur ansatzweise stören würde), gerade genau diesen seltsamen Typen besucht.
Und was macht sie jetzt mit Barbara Bott? Sie wird wegen des Bankgeheimnisses wohl kaum den Namen eines Kunden weitergeben, der nachweislich nicht viel mehr gemacht hat, als ihr ein paar ... ja, was? Kommentare zu schreiben? Nicht einmal anzüglich sind diese ja gewesen, wenn man mal ehrlich ist.

Klar, sie werden versuchen, die Mailadresse zu prüfen, von der die Fotos verschickt wurden. Sie wird auch zusagen können, dass eine Polizeistreife ein paar Mal öfter als sonst eine Runde durch die Anliegerstraße in Cronenberg dreht ... und sie ansonsten weiter zur Vorsicht mahnen, ihr gleich noch ein bisschen gut zureden ... was man eben so macht, wenn man nicht wirklich was machen kann. Und sich selbst ein bisschen hilflos fühlt.
Nach einer knappen halben Stunde verabschiedet sie sich von Barbara Bott.
„Mal sehen, was wir über die Mailadresse herausfinden“, sagt sie, und sie denkt: nichts.

Der Schlafraum, Morianstraße
Björn Steinbrink zuckt kurz zusammen, als er auf Facebook routinemäßig den Newsfeed der WZ checkt, so wie er es jeden Abend kurz vor Feierabend macht. Die letzte Meldung zeigt Fotos von großen weißen Lieferwagen einer ganz bestimmten Marke und eines bestimmten Jahrgangs. Darunter ein Link zur WZ-Website. Er klickt darauf und liest dann die Meldung: „Wie die Polizei berichtet, wurden die Verkehrsschilder, mit der das jüngste Verkehrschaos in Wuppertal angerichtet wurde, mit einem Lieferwagen wie oben abgebildet gestohlen. Davon gibt es in der Stadt sicher einige. Gleichwohl bittet die Kripo um Mithilfe: Wer hat einen solchen Van nachts in Barmen in der Nähe der Schilderfirma gesehen? Oder wer besitzt eventuell ein solches Fahrzeug und kann Angaben dazu machen, ob es in der besagten Nacht gestohlen wurde? Hinweise bitte an die Kripo unter der Nummer ...“
Björn Steinbrink macht die Seite zu und tippt die angegebene Nummer in sein Handy. Nein, er hat kein Fahrzeug in der Nähe einer Schilderfirma gesehen. Nein, er hat seinen Lieferwagen auch nicht vermisst. Aber er hat genau so einen, wie er da abgebildet ist. Und dass mit dem etwas nicht stimmt, ist ihm vorhin schon aufgefallen.
Er erreicht zunächst die zentrale Annahmestelle im Polizeipräsidium Wuppertal, dann wird er weiterverbunden.
„Ja, Moritz Brinker hier?“
„Guten Tag, Steinbrink mein Name. Ich glaube, ich kann Ihnen Hinweise zu dem gesuchten Lieferwagen machen. Könnten Sie eventuell heute noch vorbeikommen? Ich weiß, ist bald acht, aber ... hallo?“
„Ja ... äh, kann ich. Wo muss ich hin?“

Als Moritz Brinker kurz darauf seinen Toyota C-HR (den er wahrscheinlich wirklich behalten wird, weil er sich an diesem Design einfach nicht sattsehen kann) vorm Schlafraum parkt, ist er ziemlich bedient. Weil er seinem Sohn Niklas heute Abend wieder keine Geschichte vorlesen wird. Immerhin: Er hat ihn vorhin ja krank aus der Schule abgeholt, das muss doch reichen, oder? Seine Schwiegermutter hat ihn gerade wieder so richtig rund gemacht am Telefon, von wegen, er solle sich langsam wirklich mal überlegen, was ihm sein Kind eigentlich bedeute und so weiter. Das hat wehgetan.
Aber Brinker ist nun mal auch ein Ermittler. Ein guter. Einer, der nicht lange fackelt, wenn sich eine Möglichkeit ergibt, einen Fall so schnell wie möglich aufzuklären. Und er möchte den Wuppertalern nicht noch ein drittes Verkehrschaos dieser Art zumuten. Das heute war zu viel des Guten. Mal abgesehen von der Gefahr, die von diesen beiden kranken Aktionen ausgegangen ist. Es grenzt ja fast an ein Wunder, dass es bei den Auffahrunfällen an beiden Tagen nur einige wenige Leichtverletzte gegeben hat.
Als er mit dem Inhaber des Bettenfachgeschäfts dessen Lieferwagen betritt und sich die Macken und Schrammen anschaut, hat sich sein schlechtes Gewissen seinem Sohn gegenüber nicht groß verflüchtigt, aber wenigstens ahnt er, wofür er das getan hat. Die Spuren sind recht eindeutig. Brinker ruft die Spurensicherung an, und während die Kollegen unterwegs sind, beäugt er kritisch Björn Steinbrink, der ihn mit einem starken Kaffee versorgt.
„Bevor Sie fragen: Ich war’s nicht“, sagt Steinbrink und reicht Brinker lächelnd die Kaffeetasse. Der Kommissar erwidert das Lächeln, ohne dass er es will.
„Mein bohrender Blick, ich weiß. Sorry, Berufskrankheit. Dass Sie 60 Schilder klauen und anschließend bei uns anrufen, halte ich in der Tat auch für unwahrscheinlich. Wurde der Wagen denn gestohlen?“
„Nein. Aber ich glaube trotzdem, ich weiß, wer das gewesen sein könnte.“
„Ach was.“ Moritz Brinker schlürft den Kaffee, schüttelt sich innerlich, nimmt Zucker und beugt sich interessiert vor.
Und so erzählt Björn Steinbrink die Geschichte des seltsamen Bert Bronsius, der eigentlich mal an der Bergischen Uni gelehrt hat, aber zuletzt einige Monate als Fahrer für ihn im Einsatz gewesen ist, der zuletzt aber immer wieder von irgendwelchen Erfindungen gefaselt habe, und davon, dass man bei all den verstopften Straßen ja am besten nur noch fliegen sollte, und je länger Steinbrink erzählt, desto unruhiger wird der Kommissar.
Weil er ahnt, dass jemand ganz Bestimmtes gerade auf dem Weg zu diesem Bronsius ist, ihn vielleicht sogar längst interviewt. Und das auch deshalb, weil er diejenige dazu ermuntert hat. Brinker und das Risiko: Auch so eine Ermittlergeschichte. Hat er ernsthaft geglaubt, dass der ominöse Erfinder, von dem Tina Tonino berichtete, der Täter ist, der für das Chaos verantwortlich sein könnte? Wenn er ehrlich zu sich selbst ist: Ja. Und womöglich hat er sie auch vorgeschickt, damit sie etwas über den Kerl herausfindet, was ihm und Saskia Berger von Nutzen sein kann. Brinker seufzt.
„Gut, wo wohnt der Mann?“
Als Steinbrink irgendwas von Cronenberg sagt, besteht für Brinker kein Zweifel mehr, dass er sich ganz schnell auf den Weg machen muss.
Es ist längst nach acht.
Und es ist zu spät, aber das weiß er natürlich noch nicht.

Auf der Hahnerberger Straße Richtung Cronenberg
Barbara Bott weiß, sie sollte im Auto nicht aufs Handy schauen. Aber die Ampel steht seit Ewigkeiten auf Rot, und es hat jetzt schon zweimal gesummt. Das macht ihr Handy nur, wenn es weitergeleitete Büromails empfängt. Aber wer schreibt nach zwanzig Uhr abends noch? Ihre Hand zittert schon wieder.
Sie liest: „Polizei? Interessant. Was hat die denn heute bei Ihnen gemacht? Haben Sie etwa was verbrochen?“
Sie sieht: Ein Foto des Streifenwagens direkt vor ihrer Haustür.
Sie denkt: Und wenn es doch der seltsame Typ vom Ende der Straße ist?
Hinter ihr hupt es so laut, dass ihr das Handy aus der Hand und in den Fußraum fällt.
Sie muss weiterfahren.
Dabei will sie gar nicht nach Hause.

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