ANZEIGE WZ-Krimi 2018 Folge 3 - Kommissar Brinker: Das Phantom der B7

Was für ein Verkehrschaos in Wuppertal: Ein unbekannter Hacker hat das Ampelsystem der Stadt lahmgelegt. Aber das war erst der Anfang. Denn der seltsame Erfinder Bert Bronsius, der dahinter steckt, plant schon den nächsten Coup. Kommissar Brinker und Reporterin Tina Tonino haben bereits einen Verdacht ... Der Zeitungskrimi geht weiter — fiebern Sie mit und gewinnen Sie Karten für die Lesung im Juni!

An einem trüben Aprilmorgen sitzen zwei Frauen gar nicht weit voneinander entfernt in ihren Büros. Beide am Schreibtisch. Beide vor einem Bildschirm. Vor einem Foto.

WZ-Medienhaus
Tina Tonino, die gerade zwei Stunden damit verbracht hat, all die Reaktionen der WZ-Leser zu sortieren, zu filtern und zu beantworten, ganz gleich ob über Facebook, Mail oder Telefon, starrt auf die Fotocollage zum Ampelchaos von gestern. Und auf den Spruch darunter. Von wegen, dass das erst der Anfang sei. Sie muss an Moritz Brinker denken. Nicht, dass sie das gestern Abend, als sie allein in ihrer Wohnung in Ronsdorf im Bett lag, nicht auch getan hätte, nur anders. Jetzt denkt sie an den Ermittler in ihm, denn der ist nun gefragt.

Sparkasse Wuppertal, Islandufer
Barbara Bott denkt auch an einen Kommissar, an keinen bestimmten freilich, Hauptsache, jemand kann ihr helfen. Auch sie hat eine Collage erhalten. Sie besteht aus mehreren Bildern, die sie in einem Café in Elberfeld mit ihren Freundinnen zeigen, dann beim Gang zu ihrem Auto und schließlich, das ist das Erschreckendste, wie sie sich in ihrem Wohnzimmer auf die Couch setzt. Die Beraterin der Sparkasse Wuppertal spürt, wie ihr Herzschlag unter dem Kinn pocht. Seit jenem Moment, als sie das Bild öffnete.
Der Absender der Mail: Ein Fantasiename. Sie wollte die Mail schon in den Spamordner verschieben, als sie den Anhang entdeckte, der direkt in die Mail eingefügt war. Dann begann das Herzklopfen. Außer den Bildern: nichts. Keine Nachricht, kein Text, aber Barbara Bott hat sofort die letzten Chats mit dem „Professor“ vor Augen. Was, wenn ihre Bedenken bezüglich seiner seltsamen Kommentare doch nicht unbegründet waren? Was, wenn er ihr heimlich aufgelauert und diese Fotos gemacht hat? Und wenn nicht? Wenn es ... sonst wer war? Nur wer? Sie ist seit sechs Jahren Single, hat sich von Jens damals im Guten getrennt. Sie sind bis heute befreundet, gehen hin und wieder sogar gemeinsam zu Konzerten.
Barbara Bott nimmt sich eine kurze Auszeit an der Wupper und ruft ihn an. Sie spürt ein paar Regentropfen auf dem Gesicht, auf der Brille, egal.
„Pitrowski?“
„Ja, Jens, hallo, ich bin es, hi! Du klingst aber weit weg.“
„Babs! Ja, ich bin auf’m Schiff. Irgendwo vor Island. Ein Wunder, dass du mich überhaupt erwischst.“
Sie nickt wissend. Sollte irgendein klitzekleiner Teil in ihr wirklich gedacht haben, ER könnte ... dann ist das hiermit vom Tisch. Nur — helfen kann er ihr auch nicht. Sie wird ihn im Islandurlaub mit dem Schiff auf keinen Fall mit ihren Problemen behelligen.
„Was ist denn? Alles gut bei dir?“
„Ach ... ja ja ... ich wollte nur ... es gibt Karten für Lindenberg. In Oberhausen.“
„Bin dabei. Bestell zwei und gut, ok? Hallo? Ich hör nix mehr. Also: Zwei Stückschschschsch ...“
Weg ist er.
Sie legt auf, hat nun also ein Date mit ihrem Ex bei Lindenberg, kann aber nur an die Angst denken, die sich kriechend wie eine ätzende Schnecke in ihr ausbreitet, seit sie diese verdammte Mail geöffnet hat.

Polizeipräsidium Wuppertal
„Ja“, sagt Moritz Brinker und lehnt sich in seinem Bürostuhl zurück, „dann ist das ja soweit klar, oder? Und dem Mädchen geht es gut? Okay. Danke.“ Er beendet das Gespräch mit seiner Kollegin Saskia Berger und schüttelt ratlos den Kopf.
Manchmal geht das Leben doch seltsame Wege, denkt Moritz Brinker. Da kann die kleine Tochter der Landwirtin, die bereits zum dritten Mal vergiftete Schafe im Stall beklagen musste, nicht schlafen vor Traurigkeit. Sie schleicht sich nachts in einen anderen Stall, um dort nach den Lämmern zu sehen und ertappt dort den Giftmischer auf frischer Tat, als er auch diese umbringen will. Das Mädchen schreit vor Schreck den halben Hof zusammen, erkennt aber den Täter sofort. Es ist der Sohn des Landwirts vom Nachbarhof.
Der ist gerade achtzehn, gesteht die Tat sofort und die drei anderen auch. Nur über das Warum verstrickt er sich in Widersprüche. Eine Mutprobe? Eine verlorene Wette? Weil er Angst gehabt hat, der Hof seines Vaters könnte pleite gehen und deswegen den Konkurrenten schwächen wollte? Oder weil er einfach ein völlig verwirrter Teenager ist? Im Lauf des Verhörs ist all das auf den Tisch gekommen und Brinker hat zwischendurch gedacht: Na ja, vielleicht ist der Kerl auch so durchgeknallt, dass alles zusammen eine Rolle spielen könnte.
Er will gerade für eine seiner geliebten Miniauszeiten die Augen schließen, da klingelt sein Handy. Und sein Herz klopft, weil es Tina ist.
„Tina, hi.“
„Hast du Zeit? Ich hab was für dich.“

In der Redaktion der WZ
Kurz darauf sitzt Brinker mit an Tina Toninos Schreibtisch und schaut sich die Collage an. Und die Ankündigung darunter. Und er grinst. „Nach dem Fall ist vor dem Fall. Nur, dass es, wie ich die Kollegen bisher verstanden habe, keine Spur gibt. Der Rechner, von dem aus sich der oder die Täter auf die Verkehrsserver eingehackt haben, konnten sie bisher nicht ausfindig machen. Da scheint ein Profi am Werk zu sein.“
„Der was genau noch vor hat, deiner Meinung nach?“
Brinker prustet leise vor sich hin. „Keine Ahnung. Warum legt einer den kompletten Verkehr einer Stadt lahm? Doch nicht, um Unfälle zu provozieren. Der will auf irgendwas hinweisen, oder? Oder was erpressen? Aber er kündigt bloß an, er fordert ja nichts.“
Tina Tonino schaut Brinker den einen Moment zu lange an, sodass die beiden wieder mal synchron erröten, blickt dann schnell zur Seite, sucht nach etwas, was sie sagen könnte, da kommt ihr ein Gedanke. „Gestern Abend hatte ich übrigens noch so eine komische Begegnung. Also am Telefon. Mit so einem Typen, der meint, er hätte eine Lösung für alle Verkehrsprobleme. Ein Erfinder quasi. Hab ihm dann abgesagt, schon zum zweiten Mal, weil: Drei Seiten füllen sich ja nicht von alleine. Da hat er sich tierisch aufgeregt, sein Anliegen wäre total wichtig, gerade jetzt, bei so einem Chaos. Er könne alle Verkehrsprobleme lösen und so weiter. Ein armer Irrer wahrscheinlich.“
„Ich würd den ja nochmal anrufen. “
„Er war mir aber irgendwie unheimlich, ehrlich gesagt.“
„Was, wenn er unser Täter ist und so gekränkt war von deiner Absage, dass er dir anschließend die Drohung geschickt hat?“
„Vielleicht hast du Recht. Ich rufe den morgen mal an.“
„Ruf ihn doch gleich an.“
Tina Tonino betrachtet noch einmal die Bilder, ohne zu antworten. „Sind irgendwie alle hier im Tal gemacht worden, oder? Hier, das ist das Opernhaus. Und da, der Döppersberg. Alles auf der B7. Der muss ja wie ein Phantom umhergefahren sein und hat überall die Leute an den Ampeln gefilmt ... war dann wahrscheinlich mit dem Fahrrad unterwegs, oder?
„Ja, geflogen sein kann er wohl kaum. Und jetzt ruf den an.“
„Später. Ich muss gleich noch was für unseren Empfang heute Abend vorbereiten. Gibt lecker Essen von Linke Catering. Mjam!“

Der Schlafraum an der Morianstraße
Nancy Sinatra und Lee Hazlewood trinken in seiner 60er Playlist gerade den Summer Wine, als Björn Steinbrink, zurück von einem Kundenbesuch, seinen Wagen auf den Parkplatz hinterm Fachgeschäft Der Schlafraum abstellt.
Sein Handy klingelt. Mal wieder Bert.
„Hallo Bert.“
„Ja, der Bert hier, richtig. Ich äh ... also ich kann leider heute Nachmittag auch nicht ... es ist ... äh ... der Rücken. Ja, immer noch der Rücken.“
„Heute morgen war dir noch schlecht.“
„Ja und dabei, also beim ... also, da hab ich mir was verrenkt oder so und ... na jedenfalls ... und morgen wird das sicher auch schwierig ... ich hoffe, es gibt nicht zu viel zu tun ...?“
Nee, überhaupt nicht, wie immer, denkt Björn Steinbrink und runzelt die Stirn.
„... doch schon, aber ...“
„... ich melde mich dann ... tschö!“
Es klickt. Wie lange arbeitet Bert jetzt als Fahrer für ihn? Ein halbes Jahr vielleicht. Und eigentlich hat alles echt gut angefangen. Bisschen spleenig war er, von Beginn an, und gnadenlos überqualifiziert (immerhin früher mal an der Uni tätig), aber sehr zuverlässig, ein begnadeter Fahrer und handwerklich ein Genie. So schnell wie Bert baut in ganz Wuppertal keiner ein Bett auf. Die Motorrahmen hat er den Kunden binnen Sekunden eingestellt, alles gut. Mal abgesehen davon, dass Bert in den letzten Monaten ständig davon faselte, man könne die Betten und Matratzen ja viel besser ausliefern, wenn man sie per Riesendrohne oder Kopter ausflöge. Und sie dann einfach bei den Kunden abwerfen würde. Björn Steinbrink hatte das anfangs als schrägen Witz abgetan, aber Bert schien das ernst zu meinen. Er hat immer wieder davon angefangen. Hat sich einmal sogar eine Matratze und einen Rahmen mitgenommen, um „irgendwas“ auszuprobieren. Gut, hat Steinbrink gedacht, soll er machen, solange er seinen Job so gut hinkriegt wie bisher.
Nur kriegt er in letzter Zeit immer weniger hin, weil ständig etwas ist. Mal ist er krank, mal ist es was mit seiner Mutter, mal irgendein Projekt.
Während Björn Steinbrink nach einer Alternative für die Lieferfahrten des Nachmittags und nächsten Tages sucht, fragt er sich, ob er nicht gleich eine auf Dauer finden sollte. Und ob es wirklich die beste Idee war, einem Wissenschaftler einen Aushilfsjob zu geben. Wenigstens hat Bert ihm neulich die Matratze und den Rahmen zurückgebracht.

Ein Einfamilienhaus in Cronenberg
Nachdem Bronsius aufgelegt hat, atmet er tief aus. Was ihn geritten hat, vor einem halben Jahr einen Job als Fahrer im Schlafraum anzunehmen, weiß er auch nicht mehr. Aber er ist damals knapp bei Kasse gewesen, die suchten einen Fahrer, zahlten gut und fahren und aufbauen kann er neben der Tüftelei nun mal ganz gut.
Jetzt braucht er den Job eigentlich nicht mehr. Aber Bert Bronsius ist nicht gut darin, eine klare Entscheidung zu treffen, deshalb hält er die Leute oft hin. Die wenigen, mit denen er zu tun hat. Er braucht den Job deshalb nicht, weil Geld seit Weihnachten keine Rolle mehr spielt.
Heiligabend klingelte das Telefon. Bronsius saß mit seiner Mutter beim Abendessen, er hatte bei der Bescherung gerade das riesige Werkzeugset ausgepackt, das sie ihm geschenkt hatte.
Ob er Englisch spreche. Bronsius nickte. Ein entfernter Onkel aus England sei so eben verstorben, erklärte ihm daraufhin eine nüchterne, sonore Stimme mit bestem Südengland-Akzent, es handele sich um den Bruder seines verstorbenen Vaters. Er hatte den Namen des Onkels irgendwann einmal gehört, aber er interessierte ihn auch gar nicht weiter, sondern allein die Zahl. Anderthalb Millionen Pfund. Der Onkel war mit einem Biochemie- und Robotikunternehmen reich geworden.
Bronsius’ Mutter hatte den Onkel einige Male etwas neidisch erwähnt, mehr auch nicht. Sie selbst erbte ebenfalls anderthalb Millionen, die, da machte sich Bronsius nichts vor, auch bald ihm gehören würden, denn sie ging auf die Achtzig zu und litt seit Jahren unter einer Herzschwäche.
An Neujahr begann Bert Bronsius, die Werkstatt im Keller des Hauses am Hang in Cronenberg, das direkt mit der Garage verbunden war, deutlich auszubauen. Er arbeitete von nun an Tag und Nacht am Bronsikopter.
Seine Mutter wohnt oben im ersten Stock, sie bekommt kaum mit, was ihr Sohn da fabriziert, oder will es nicht mitbekommen. Bei vielen Menschen um die Achtzig ist der Fernseher der eigentliche Lebensgefährte, das ist bei Agathe Bronsius nicht viel anders.
Ja, überlegt Bert Bronsius jetzt, da er den Bronsikopter probehalber für den anstehenden nächtlichen Testflug startet, den Schlafraum-Job schmeiße ich morgen hin.
Und konzentriere mich aufs Wesentliche.
Die Aktion mit den Ampeln ist ein voller Erfolg gewesen. Er hat ganz Wuppertal vorgeführt, was passieren kann, wenn mal gar nichts mehr geht. Dass das Fahren auf Straßen längst überholt ist.
Dass diese Reporterin gestern nicht konnte — sei’s drum. Muss er eben selber aktiv werden. Die Sache mit den Fotos war erst der Anfang.
Was die Wuppertaler wohl morgen früh sagen, wenn sie auf den Autobahnen nur noch dreißig fahren können? Aber dafür muss Bronsius heute noch einiges vorbereiten. Er will gerade den Abend planen, da klingelt sein Handy.
„Ach, die Reporterin, die nie Zeit hat“, begrüßt er die Anruferin. Nummern kann er sich verdammt gut merken.
„Äh ... ja. Tonino hier. Es tut mir leid wegen gestern. Aber vielleicht ginge es ...“
„Morgen Abend. Ja. Sehr gerne. Heute ist ganz schlecht. Ich habe noch viel zu tun ...“


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