ANZEIGE WZ-Krimi 2018 Folge 1 - Kommissar Brinker: Das Phantom der B7

Der Wuppertaler Kriminalhauptkommissar Moritz Brinker muss seinen Job und die Erziehung seines Kindes unter einen Hut bringen. Nachdem er vor einiger Zeit den Fall um die verschwundenen Originale lösen musste, hält ihn ein Verkehrschaos in der Stadt auf Trab, bei dem es nicht mit rechten Dingen zugeht. Freuen Sie sich auf acht Folgen Krimispannung — und gewinnen Sie Karten für die Lesung im Juni!

Eine Scheune in Rutenbeck, am Vormittag
In einem April, der Sommer verheißt, nach einem Winter, der niemals zu enden schien und nur Dunkelheit über Wuppertal brachte, hat Moritz Brinker gerade leider keine Zeit für das Licht, das eine warme Frühlingssonne über der Stadt ausbreitet. Er muss ins Dunkel gehen. Wieder einmal. Das Dunkel hat eine alte Scheune in Rutenbeck heimgesucht, in irgendeiner Nacht, der Kriminalhauptkommissar weiß noch nicht genau, wann und schon gar nicht, warum. Er weiß nur, dass in dieser Scheune siebzehn tote Schafe liegen, darunter einige Lämmer, offensichtlich vergiftet.

Saskia Berger tritt neben ihn. Sie ist seit einigen Jahren seine Kollegin im Polizeipräsidium Wuppertal und hat mit ihm schon einige Fälle aufgeklärt. Bereits der allererste war der Schlimmste. Sein eigener Sohn, der mittlerweile in die zweite Klasse geht, wurde damals mit hineingezogen.

Dann, vor anderthalb Jahren etwa, diese völlig schräge Geschichte mit den Wuppertaler Originalen, die von einer Nacht auf die andere verschwanden. Der Kopf der wirren Studentenbande, die das Ganze damals einfädelte, drehte am Ende durch und Brinker und Berger konnten eine Katastrophe gerade noch verhindern.

Immerhin hatte die Aktion am Ende ihr Gutes, denn sie galt ja der Sanierung der Wuppertaler Treppen. Viele Bürger der Stadt spendeten anschließend über die Spenden-Plattform gut-fuer-wuppertal.de für deren Erhalt.

„Mit der Bäuerin haben wir jetzt gesprochen, ich denke, die kann uns nicht mehr groß weiterhelfen. Sie hat die Schafe heute früh gefunden, als sie routinemäßig in die Scheune ging. Sie hatte eigentlich ihre kleine Tochter mitnehmen wollen, aber die liegt krank im Bett.“
„Ihr Glück.“
„Geht so. Die Kleine hat wohl schon nach den Schäfchen gefragt und wird heute Nacht sicher nicht so gut schlafen. Zumal das jetzt das dritte Mal in zwei Monaten war, dass hier auf dem Hof morgens tote Schafe im Stall liegen.“
„Lassen Sie sich die Nummer geben, vielleicht rufe ich die Frau heute Abend mal an.“
Schulterzuckend schlendert Saskia Berger zurück zu der Landwirtin.
So ist Moritz Brinker: Ihn interessiert nie nur der Fall selbst, die schnelle Aufklärung, und das, was im Täter vorgeht. Sondern immer auch, wie es den Menschen geht, die mit so einer Geschichte, die ja meistens düster verläuft, umgehen müssen.
Brinker wird die Frau heute Abend anrufen, vielleicht erst nach acht, mal sehen.
Dafür ruft ihn jetzt jemand an und im Dunkel der Scheune geht für ihn ein kleines Licht an. Und das, obwohl er genau weiß, warum sie ihn anruft. Aber es ist eben sie. Und allein das lässt ihn lächeln.
„Nein, wir haben noch nichts, Tina, es gibt heute Mittag sicher eine Pressemitteilung.“
„Hallo Moritz, danke, mir geht es auch gut. Und dir?“
„Mal abgesehen davon, dass ich den ersten warmen Tag dieses Jahres in einer Scheune mit siebzehn toten Schafe verbringe, die offenbar vergiftet wurden ... na ja.“
„Prima, diese beiden Infos reichen mir doch schon völlig aus für eine erste Meldung gleich auf Facebook.“
„Tina, wenn du ...“
„Komm runter, Moritz. Ich warte die Presseinfo ab, keine Sorge. Bleibt’s morgen Nachmittag beim Kaffee im Luisenviertel?“
„Geht klar.“
Brinker legt auf, lässt den Blick schweifen zu seiner Kollegin, die sich die Nummer der Bäuerin besorgt, und dann zu den toten Schafen. Völlig sinnlos liegen sie da. Brinker muss jetzt erst mal die Laborergebnisse abwarten. In den beiden ersten Fällen wurde jeweils Gift nachgewiesen. Er ist ziemlich sicher, dass es diesmal genauso ist.
Aber jetzt erst einmal raus aus der Dunkelheit. Ein bisschen Frühling wartet. Vor allem morgen, beim Kaffee mit Tina Tonino.
Und ein bisschen ... ja was? Liebe? Das Zauberwort kommt ihm wahrhaftig in den Sinn, vielleicht, weil er das einfach mal wieder braucht, die Liebe einer Frau, nicht nur die eines Kindes, seines Sohnes.
Seine Frau ist jetzt seit vier Jahren tot, und seitdem hat es immer nur den Kommissar und das Kind gegeben, ihn und Nils, und die Arbeit und die Schwiegermutter, in deren Haus die beiden leben, seit Brinker in Wuppertal ein neues Leben angefangen hat. Aber nie eine neue Frau für ihn.
Bis Tina kam, die er anfangs nicht ausstehen konnte mit ihrer Reporterinnennase, die gefühlt immer einen Schritt schneller war als er, aber dabei meistens unfassbar charmant — und die natürlich viel zu jung für ihn ist.
Er weiß nicht mehr, wann es gefunkt hat. Vielleicht schon bei ihrer allerersten Begegnung? Aber das will er natürlich nicht wahrhaben. Oder nachdem sie beide den Fall mit den verschwundenen Wuppertaler Originalen gelöst hatten? Damals eine Riesengeschichte auch für die WZ in Wuppertal.
Und was ist das jetzt zwischen ihnen? Sie sind ein paar Mal zusammen ausgegangen, so nennt er das, sie würde es Date nennen, aber was Festes ist das nicht. Wird es das je? Meine Güte, sie haben sich noch nicht einmal geküsst. Tina weiß natürlich von Brinkers verstorbener Frau. Sie weiß, dass sein Leben nicht so einfach ist.
Aber sie macht es ihm leichter. Und das ist schon mal ein Anfang. Er freut sich auf den Kaffee. Und auf ihr Lächeln. Brinker tritt aus der Scheune auf den Hof. Endlich, endlich wird es hell.
Er macht sich auf den Weg zu seinem Seat Ateca. Den bringt er heute Abend noch in die erste Inspektion. Mal schauen, was für einen Leihwagen sie ihm dann mitgeben.

Sparkasse Wuppertal, gegen Mittag
Sie hat sich daran gewöhnt, dass er nur der „Professor“ genannt werden möchte. Da ist ja jeder Kunde anders. Und wenn er eben wirklich ein Akademiker ist, warum auch nicht. Außerdem ist er ein Netter, dieser Professor.
Seit einem halben Jahr hat Barbara Bott als Beraterin der Sparkasse Wuppertal mit ihm Kontakt, gesehen haben sich die beiden noch nie, darauf lege er keinen so großen Wert, hat er gesagt. Aber wofür gibt es den Berater-Chat? Den kann der Professor unter der Woche bis 22 Uhr nutzen. Da er mittlerweile weiß, wann Barbara Bott Dienst hat, passt er es immer so ab, dass er mit ihr chattet.
Der Austausch ist recht rege, vor allem in letzter Zeit. Jede Woche meldet er sich mit einer Frage zur Finanzplanung, manchmal will er nur was zu seinen Konten wissen und ... wenn sie ganz ehrlich zu sich selbst ist, dann scheint er ab und an auch einfach nur Kontakt zu suchen.
So wie jetzt gerade auch. Er hat ihr ein paar Fragen zu zwei seiner Konten geschrieben, sich ein paar Tipps geholt, und jetzt ist die Beratung eigentlich schon beendet. Nicht für ihn.

Er schreibt: „Ich finde es immer wieder sehr angenehm, mit Ihnen zu chatten, Frau Bott. Sie antworten sehr schnell, sehr kompetent und haben mir schon oft weitergeholfen. Ich fühle mich sehr gut betreut bei Ihnen.“
Sie schreibt: „Das freut mich sehr. Immer wieder gerne.“
Er schreibt: „Sicher melde ich mich nächste Woche dann auch wieder. Es geht mir um eine größere Finanzierung. Vielleicht sogar schon in wenigen Tagen.“
Sie schreibt: „Das klingt doch interessant. Haben Sie schon eine Größenordnung im Sinn? Dann kann ich schon mal was errechnen.“
Er schreibt: „Danke nochmals. Ich mag auch Ihren Schreibstil sehr. Sie sind immer so freundlich.“
Sie zögert. Diese Ankündigungen, dass er sich bald wieder meldet, sind nichts Neues, und eine größere Projektfinanzierung hat sie für ihn auch schon auf die Beine gestellt. Aber was sollen diese Komplimente?
Er schreibt: „Sie sind doch noch da, oder?“
Sie schreibt: „Danke für das Kompliment, Professor. Diese Freundlichkeit, von der Sie sprechen, ist für uns selbstverständlich.“
Er schreibt: „Aber Sie sind doch wirklich etwas ganz Besonderes.“
Sie zögert. Etwas zuckt in ihr, so, wie das mit einem passiert, wenn man gerade einschläft und doch wieder zu sich kommt. Unheimlich ist das.
Der Professor hat gerade die Beziehungsebene Beraterin — Kunde verlassen. Er ist eine Stufe weitergeklettert, dabei hängt da eigentlich ein Verbotsschild, das die meisten Menschen auch beachten und respektieren.
Er schreibt: „Entschuldigen Sie, habe ich Sie in Verlegenheit gebracht? Ich meinte damit die Art, wie Sie mich beraten. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Ich melde mich wieder. Gruß.“
Sie schreibt: nichts.
Barbara Bott lehnt sich in ihrem Bürostuhl in der Sparkassenzentrale Islandufer zurück und schaut durch ihr Fenster hinunter auf die belebte B7. Was macht sie jetzt damit? Es einfach abtun? So wie sie seine Komplimente, die er in den vielen Chats der vergangenen Monate immer wieder mal einstreute, einfach charmant pariert hat? Oder soll sie sich damit an einen Kollegen wenden?
Sie schaut sich noch einmal die Daten des Professors an. Anfang vierzig, in etwa so alt wie sie, ledig.
Ach, was soll’s, denkt sie. War wohl einfach nur so ein Spruch. Wieder mal.

In einem Einfamilienhaus in Cronenberg
Bronsius schließt das Programm und gießt sich Kaffee Nummer fünfzehn ein. Es ist kurz vor halb fünf und die Nacht wird lang werden, wenn das morgen früh alles hinhauen soll. Es muss hinhauen! Und es wird hinhauen! Und er wird heute noch fünf Kaffee trinken, denn die Zwanzig ist eine gute Zahl. Er liebt die Zwanzig.
Nein, halt. Bevor er sich gleich in die regionalen Verkehrsserver einhackt, über welche die rund 350 Ampeln in Wuppertal gesteuert werden, muss er noch einmal rüber in die Garage. Noch einmal einen Blick werfen auf das, was die Zukunft sein wird. Sein Triumph.
Mit Kaffee Nummer sechzehn tritt er vom Flur aus direkt in die Garage, schaltet das Licht ein und hält den Atem an. Es ist ein Meisterstück geworden. Er umrundet es wie in Zeitlupe, scannt die flache Frontscheibe ab, er hat sie perfekt geformt. Mehr Aerodynamik geht kaum. Er hat den Motor so konstruiert, dass er unter dem Innenraum sitzt, damit zwei Personen darin Platz finden. Denn schon bald, das weiß Bronsius, wird er nicht mehr allein durch die Nacht fliegen.
Zwei kurze Testflüge hat er mit dem Bronsikopter schon erfolgreich absolviert, zuerst über die Wälder hinterm Haus, die zweite führte ihn sogar bis runter auf die L74. Beide Male hatte er das Nachtsichtgerät auf, der Kopter selbst war nicht beleuchtet. Niemand hat ihn gesehen, da ist er ganz sicher. Dank der Hybridtechnik fliegt er die ersten fünfzehn Kilometer komplett lautlos, dann erst schaltet sich der Motor dazu.
Der Nebenjob als Mechatroniker im Autohaus Lackmann hat sich echt bezahlt gemacht, das muss er schon sagen. Die Hybridtechnik von Toyota ist absolut ausgereift, kein Wunder nach fast zwanzig Jahren Entwicklung. Und er? Hat sie weiterentwickelt. In ganz Deutschland hat er sich, oft auf Schrottplätzen, Ersatzteile besorgt und mit viel Glück sogar zwei Hybridmodelle gefunden. Und hin und wieder einmal hat er sich auch bei Lackmann einzelne Bauteile organisiert. Das Wissen über die Hybridtechnik ist wirklich Gold wert. Wer entwickelt, der braucht Geduld, und über die Jahre hatte Bronsius alles zusammen, was er für seinen Bronsikopter-Motor brauchte.
Wenn er damit erst über Elberfeld kreist, wird man ihn natürlich entdecken, das ist klar. Aber sollen sie doch.
Man wird von ihm reden, von dem seltsamen Ding, das da nachts über Wuppertal kreist. Und ja, man soll über ihn reden. Endlich.

Bronsius trinkt den Kaffee aus und setzt sich wieder an den Rechner.
Er hat anfangs überlegt, nur einen Teil der Ampeln lahmzulegen, aber wenn man einmal bei der Sache ist ... und es wäre doch verschenkt, 25 Jahre Programmiererfahrung dann nicht auch ganz zu nutzen.
Er hat sich Zeit gelassen für die Aktion. Hat sie vorbereitet, in aller Ruhe, wochenlang. Hat probiert. Erst neulich, die Abbiegerampel an der Tankstelle auf der Hahnerberger Straße, die acht Minuten lang auf Rot stand — sein Werk! Und dann die Kreuzung in Barmen, an der den ganzen Morgen das Ampelsystem ausfiel — dasselbe Spiel.
Alles schöne kleine Fingerübungen, quasi der Aperitif. Jetzt kommt der Hauptgang, es ist Zeit für den Main-Act, für die große Show.

Es ist kurz nach vier Uhr morgens, als Bronsius so weit ist. Kaffee Nummer zwanzig, schon nur noch lauwarm, aber egal, sickert nach einem kräftigen Schluck seine Kehle hinunter.
Er schreibt noch einen letzten Code. Drückt Enter. Lächelt zufrieden. Lehnt sich zurück. Und freut sich auf morgen. Wenn alle 350 Ampeln in ganz Wuppertal nur noch eine Farbe kennen werden. Rot.


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