Missbrauch: Jugendgerichtshelfer in zweiter Instanz freigesprochen

Landgericht hebt erstinstanzliches Urteil auf. Zeugenaussage einer Schülerin von „zu geringem Gehalt“. Umarmung des Mädchens laut Urteil unter der Strafbarkeitsgrenze.

Wuppertal. Mehr als drei Jahre nachdem eine damals 13 Jahre alte Schulpraktikantin einen langjährigen Mitarbeiter der städtischen Jugendgerichtshilfe wegen Missbrauchs angezeigt hat, ist der heute 61 Jahre alte Mann am Donnerstag in zweiter Instanz vom Landgericht freigesprochen worden.

Wie berichtet, war der 61-Jährige im Oktober 2009 vom Amtsgericht wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt worden und war in die Berufung gegangen.

Wie schon vor zwei Jahren hat der Mann auch vor dem Landgericht seine Unschuld beteuert. Laut Anklage soll er im Rahmen einer Projektwoche einer Gesamtschule die Schülerin betreut haben. Dabei soll er das Mädchen auf seinen Schoß gezogen, sie geküsst und am Rücken gestreichelt haben.

Wie berichtet, wurde das Mädchen am vergangenen Dienstag vom Landgericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit und im Beisein einer Gutachterin vernommen. Das Votum der Expertin über die Befragung der Schülerin kürzte den eigentlich auf fünf Tage angesetzten Prozess erheblich ab.

Die Gutachterin kam zum Schluss, dass die Aussage der mittlerweile 17 Jahre alten Zeugin von „zu geringem Gehalt“ sei. So habe die Jugendliche nur begrenzt Details geschildert und teilweise widersprüchlich ausgesagt. Laut Landgericht blieb so letztlich nur eine Umarmung, die vom Angeklagten als „vertrauensbildende Maßnahme“ gedacht gewesen sei. Dies sei für einen Pädagogen der Jugendgerichtshilfe zwar unprofessionell und nicht angemessen, strafrechtlich aber nicht relevant. Laut Urteil blieb es bei „Berührungen unter der Strafbarkeitsgrenze“.

Der 61-Jährige hatte in allen Instanzen beteuert, nie sexuelle Absichten gegenüber der Schülerin gehabt zu haben. Den Freispruch am Donnerstagnachmittag nahm er unter Tränen auf. Sein Verteidiger Klaus Sewald zur WZ: „Für meinen Mandanten ist das eine späte Genugtuung.“ Auch die Staatsanwaltschaft plädierte auf Freispruch und nimmt das Urteil an. Die Nebenklage — sie vertritt die Interessen des Mädchens — gab keine Erklärung ab. Das Urteil ist somit noch nicht rechtskräftig.

Fakt ist: Das Ermittlungsverfahren und die Prozesse haben das Leben des 61-Jährigen längst verändert. Nach der erstinstanzlichen Verurteilung vor zwei Jahren hat er nie wieder in seinem Beruf als Jugendgerichtshelfer — dabei hat er über Jahrzehnte jugendliche Straftäter bei Prozessen begleitet — gearbeitet. Mit der Stadt hat er sich mittlerweile auf eine frühzeitige Pensionierung geeinigt.

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