Menschen mit und ohne Handicap zusammenführen

Bardia Rousta ist neuer künstlerischer Leiter der Akadamie der inklusiven Künste, die immer enger mit dem Schauspiel Wuppertal zusammenarbeitet.

Menschen mit und ohne Handicap zusammenführen
Foto: Stefan Fries

Als sie sich beim Bewerbungsgespräch kennenlernten, war da der Moment, in dem Bardia Rousta wusste, „das will ich haben“. Und sein Gegenüber, Intendant Thomas Braus, erkannte: „Das vorgeschlagene Stück passt direkt in den Spielplan.“ Im März dieses Jahres suchten Schauspiel Wuppertal und Akademie der inklusiven Künste (Glanzstoff) einen neuen künstlerischen Leiter für ihre gemeinsame Arbeit. Einen Nachfolger für Markus Höller, der die Stadt gen Essen verlässt. Man sprach über Visionen, die Menschen mit und ohne Handicap auf einer Bühne zusammenführen. Und wie man diese wahr werden lassen kann. Ein Traum erfüllt sich schon mal: Theaterpädagoge Rousta wird im Opernhaus Wuppertal arbeiten; nicht in einem „Quotenprojekt“, sondern „auf Augenhöhe“.

Seit drei Jahren bietet die Akademie, Behinderten und Nichtbehinderten an, kreativ zu sein, Theater zu spielen. Der Name Glanzstoff steht für glänzende Ideen und Vorstellungen (Glanz) und für Vorhang oder Kostüme sowie Geschichten, die erzählt werden wollen (Stoff). Es gibt Glanz-Kurse und das Glanz-Ensemble, das einmal pro Woche probt. In enger Kooperation mit den Wuppertaler Bühnen wurde 2017 zudem das Glanz-Studio ins Leben gerufen. Denn Braus will die Akademie Teil des Schauspiels werden lassen — durch Professionalisierung sowie Integration in den Spielplan und ins Ensemble. Braus: „Wir wollen langfristig weiterdenken, wollen, dass unser Ensemble die Gesellschaft widerspiegelt.“ Weshalb seit August zwölf Menschen im Alter von 17 bis 54 Jahren mit unterschiedlichen Handicaps eine fünfsemestrige Ausbildung durchlaufen. Jedes Semester hat einen Schwerpunkt, mal ist es der Tanz, mal Stimme und Sprache, im Herbst ist das Puppentheater dran.

In der Nachfolge von Markus Höller leitet nun Rousta die Akademie. 1963 im Iran geboren, floh er mit 18 Jahren nach Deutschland, studierte in Wien Tanz, in Berlin Schauspiel, blieb auf Tournee in Nordrhein-Westfalen hängen und kam durch Zufall zu Projekten mit Flüchtlingen und Behinderten, holte deshalb eine Theaterpädagogik-Ausbildung in Neuss nach. Zuletzt arbeitete er als Dozent in Siegburg und realisierte ein Projekt mit Flüchtlingen mit dem Jungen Schauspiel Düsseldorf. In Wuppertal reizt ihn der Akademiegedanke, die Professionalisierung, die die Gehandicapten auf Augenhöhe mit anderen Schauspielern auf die Bretter bringt, die die Welt bedeuten.

Im Juli kommt Michael Endes „Die Ballade vom Seiltänzer Felix Fliegenbeil“, die letzte Produktion von Markus Höller, auf die Bühne. Bardia Rousta bringt „Der kleine schwarze Fisch“, ein persisches Märchen für Erwachsene, mit, das dessen Autoren Samad Behranghi das Leben kostete, weil es sehr politisch und dem Regime ein Dorn im Auge ist. Sein Wunschstück stellte Rousta auch bei seiner Bewerbung vor, gewann Braus damit für sich. Noch vor den Sommerferien beginnen die Vorbereitungen mit dem Ensemble, im Dezember folgt die Aufführung. Dabei kann das Team auf die Logistik des Schauspiels bauen — von den Kostümen, über Bühnenbild, Nutzung des Theaters am Engelsgarten bis zur aktiven Unterstützung durch die Mitarbeiter. Bardia Rousta erkennt das an: „Das ist unheimlich viel wert, zeugt von Wertschätzung, macht stolz.“

Auch wenn die Glanz-Studio-Ausbildung (noch) nicht mit einem anerkannten Zertifikat endet, Anerkennung kommt bereits von vielen Seiten. Sie reicht von der Förderung durch das Land, über die sich nicht nur der Geschäftsführer der Bühnen, Enno Schaarwächter, freut, bis hin zur Anfrage vom Düsseldorfer Schauspiel, das für seine gerade angelaufene Inszenierung von Orwells „1984“ ausdrücklich jemanden von Glanzstoff haben will. Wer fragt da noch nach einem Zeugnis.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort