Mahnende Worte in der Gemarker Kirche

Heinrich Bedford-Strohm sprach im Gedenkgottesdienst über die Gemeinschaft der verschiedenen Religionen.

Mahnende Worte in der Gemarker Kirche
Foto: Andreas Fischer

Zu einem Gedenk-Gottesdienst ist am Samstagabend in die Gemarker Kirche eingeladen worden: „An diesem besonderen Tag, an diesem besonderen Ort, in dem die Christen 1934 ihre Kirche gegen die Nazis verteidigt haben. Und in unmittelbarer Nachbarschaft zur Synagoge“, begrüßte Pfarrer Martin Engels, Moderator des Reformierten Bundes in Deutschland, die zahlreichen Gottesdienstbesucher.

Roman Herzog, der damalige Bundespräsident, hatte den 27. Januar, den Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee, 1996 zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus erklärt. Mit dem klaren Appell an seine Landsleute, dass die Erinnerung nicht enden darf, sondern auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen soll.

Außer Gebeten und Liedern, begleitet von Kirchenmusikdirektor Jens-Peter Enk, sorgte der Brief des Wuppertalers Leo Löwenthal an seine Tochter Trude Katz und ihren Mann Hans in Amerika, den er voller Not geschrieben hatte, für bewegende Momente. Dr. Ulrike Schrader, Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge, las ihn vor. „Also Kinder, es ist Matthäus am Letzten! Ihr müsst jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, um mir zu helfen“, heißt es darin. Es nützte ihm, der 1876 in Ronsdorf geboren worden, in Lennep zur Schule gegangen war und später eine Firma an der Hofaue hatte, die er zwangsweise abgeben musste, nichts mehr. Nach dem Krieg schrieb seine Tochter, dass ihr Vater 1942 nach Theresienstadt abtransportiert worden war. Trotz eines Visums nach Kuba, das sie ihm geschickt hatte. Er hat es nie erhalten. Sie habe nie wieder etwas von ihm gehört.

„Diese bewegenden Zeilen ermöglichen einen Blick in die Geschichte unserer Stadt. Und auf die unvorstellbare Gewalt und Brutalität der Nazis“, sagte der Pfarrer in seiner Predigt. „Löwenthals Stimme hören wir in Vertretung von Millionen von Stimmen.“ Die Allerwenigsten im frommen Wuppertal hätten damals ihre Stimme für die Opfer erhoben. „Wir müssen aufmerksam sein. Wie zäh war es, einen unverstellten Blick auch in unserer Kirche zu bekommen“, sagte der Pfarrer und forderte dazu auf, Möglichkeiten der Begegnung in den unterschiedlichen Gotteshäusern zu schaffen. „Als ich anfangs hier war und am Freitagabend den freundlichen Gruß ,Schabbad shalom’ (Einen schönen Sabbat) hörte, da erinnerte ich mich, wie normal das Zusammenleben doch sein kann.“

Am Gottesdienst nahmen auch die leitenden Geistlichen der evangelischen Landeskirchen Deutschlands teil, die am Wochenende zu einer Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und zu einer Begegnungstagung des Rates in Wuppertal zusammen gekommen waren. „Es ist ein Tag der Besinnung wegen der Worte und der sechs Millionen Menschen, die alle einen Namen haben. Fassungslosigkeit bleibt und wird immer bleiben“ sagte Professor Dr. Heinrich Bedford-Strohm, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche im Rheinland in seinem Grußwort. Im Jahr der Reformation habe er auch an die Hetzreden Luthers gegen die Juden gedacht. Und die Scham darüber zum Ausdruck gebracht. Aber er sei an diesem Abend auch dankbar, dass die Synagoge nebenan steht, man heute in diesem großen Kreis, zu dem auch die jüdische Kultusgemeinde zähle, zusammen sein kann.

Vor dem Gottesdienst hatte sich der Ratsvorsitzende im Beisein von Oberbürgermeister Andreas Mucke in das Goldene Buch der Stadt Wuppertal eintragen.

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