Märchenhaft schöne Spieltechnik

Sofja Gülbadamova überzeugt im Kammerkonzert mit vielschichtiger Anschlagskultur und tiefer Auslotung des Notentextes.

Märchenhaft schöne Spieltechnik
Foto: Stefan Fries

Es gibt wohl kaum einen Orchestermusiker, dessen Herz nicht an der Kammermusik hängt. Einige von ihnen sind nebenberuflich auf diesem Gebiet tätig. Denn hier können sie ihre musikalischen Vorstellung so gut wie uneingeschränkt ausleben, kein Dirigent schränkt sie ein.

Zum zweiten Mal war nun die in Russland geborene Pianistin Sofja Gülbadamova mit dabei. Mit ihr sorgten fünf Mitglieder des Sinfonieorchesters Wuppertal im Mendelssohn Saal der Stadthalle für einen kurzweiligen Abend. Gülbadamova, die stets für den zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Komponisten Ernst von Dohnányi eine Lanze bricht, hatte das gehaltvolle Programm mit Werken dreier Komponisten selbst zusammengestellt, die klar in Beziehung zueinander gesetzt werden können. Dohnány wurde von Johannes Brahms gefördert und ließ sich kompositorisch von ihm beeinflussen. Auch zwischen Brahms und Robert Schumann bestand eine enge Beziehung.

Drei Komponistengenerationen trafen also an diesem Abend aufeinander, vom Beginn der Romantik bis zu deren Ausklang. Als eine „Liebes- und Lieder-Sonate“ wurde einmal das Opus 100 in A-Dur für Violine und Klavier von Brahms bezeichnet. Konzertmeister Nikolai Mintchev zeichnete die ganze Vielfalt der in den drei Sätzen liegenden Emotionen sehr musikalisch nach.

Die drei Fantasiestücke op. 73 schrieb Robert Schumann eigentlich für Klarinette und Klavier, Oboe d’amore, Violine oder Violoncello ad libitum. Stattdessen gab es eine Fassung für Viola. Hikaru Moriyama, stellvertretende Solobratschistin, konnte hier mit einer nuancierten und tragfähigen Tongebung überzeugen. Feine Phrasierungen und eine sensible Dynamikgestaltung rundeten ihren erlesenen Vortrag ab. So konnte der beschauliche Charakter der drei Stücke leicht nachvollzogen werden.

Die thematisch enge Verwobenheit der vier Sätze des einzigen Klavierquartetts in Es-Dur, op. 47 von Schumann brachten die drei Streicher Mintchev, Moriyama und Cellistin Karin Nijssen-Neumeister verständlich zum Ausdruck. Ihr Zusammenspiel war ausgezeichnet.

Gelegentlich hätte man sich nur einen kräftigeren Klang gewünscht. Ernst von Dohnányis Sextett in C-Dur op. 37 für Klarinette, Horn, Violine, Viola, Violoncello und Klavier ist sein letztes der neun wichtigen Kammermusikwerke, die er mit Opuszahlen versehen hatte. Der formale Aufbau erinnert eindeutig an Brahms.

Neben den drei besagten Streichern legten sich auch Klarinettistin Selina Lohmüller und Hornist Andreas Becker mächtig ins Zeug. Spritzig, sehr energisch kam etwa der Finalsatz mit seinen Ragtime-Momenten von der Bühne.

Bei allen vier Werken verlor Gülbadamova nie den Überblick. Blickkontakte bei Einsätzen waren ihr wichtig, und sie passte sich stets den Dynamiken der Sinfoniker an. Ihre in allen Belangen erstklassige Spieltechnik, ihre vielschichtige Anschlagskultur gingen Hand in Hand mit einer tiefen Auslotung des Notentextes. Ihre musikalische Linienführung faszinierte wegen ihres gefühlsbetonten, spannungsvollen Aufbaus.

Die Begeisterung an dem gemeinsamen Musizieren seitens aller Interpreten bei diesem Sonderkammerkonzert übertrug sich voll auf das Publikum. Heftiger, lang anhaltender Applaus, gespickt mit Bravo-Rufen, war das Resultat.

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