Lise de la Salle erobert den Skulpturenpark

Die Pianistin spielte im Rahmen des Klavier-Festival Ruhr ein Konzert zwischen Tony Craggs Werken.

Lise de la Salle erobert den Skulpturenpark
Foto: Peter Wiegel

Eigentlich sollte Lise de la Salle im oberen Pavillon des Skulpturenparks Waldfrieden einen Klavierabend geben, da derzeit im unteren für solche Zwecke gedachten Glashaus Werke von Markus Lüpertz ausgestellt werden. Doch heizten die hochsommerlichen Temperaturen den geplanten Veranstaltungsort zu sehr auf. So hatte man ein Einsehen. Plastiken des Künstlers wurden rausgeschleppt und stattdessen dort die Stühle aufgebaut. Dem Flügel tat diese Entscheidung sicherlich auch gut. So konnte das Konzert im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr bei Wohlfühltemperaturen erlebt werden, das Musik von der Wiener Klassik bis zum Impressionismus zum Inhalt hatte.

Seit ihrer Zeit als Teenager ist die heute 30-jährige französische Pianistin international in aller Munde, auf den großen Bühnen, die die Welt bedeuten, zuhause. Ihre Vorbilder sollen unter anderem legendäre Sängerinnen sein, und sie sei deshalb bestrebt, liedhafte Momente dem Tasteninstrument zu entlocken.

Bei Wolfgang Amadeus Mozarts Fantasie in d-Moll (KV 397) gelang ihr diese Herangehensweise sehr überzeugend. Mit einer warmen, weichen Tongebung brachte sie den hauptsächlich schmerzvollen Duktus des Stücks, dabei die Seufzervorhalte deutlich artikulierend, beseelt zum Ausdruck. Auch das Thema und die langsamen Abschnitte seiner berühmten zwölf Variationen über „Ah, vous dirai-je, Maman“ in C-Dur (KV 265) gestaltete sie ähnlich lyrisch, während sie bei den schnellen Abschnitten mit einer federleicht-virtuosen Klaviertechnik faszinierte.

Sie soll einmal gesagt haben: „Ich möchte die Zuhörer vergessen lassen, dass das Klavier ein perkussives Instrument ist. Ich will damit singen“. Solch eine Haltung hätte Albert Roussels Prélude et Fugue nicht gut zu Gesicht gestanden. Denn die Sprache dieses differenziert ausgearbeiteten Opus 46, eine Hommage an Johann Sebastian Bach, ist herb-expressiv. Hart, spröde, scharf war hier ihre Anschlagskultur, womit sie stimmig den Gehalt des Werks nachzeichnete.

Außerdem verfügt de la Salle über eine große Palette an Klangfarben. Die sind auch notwendig, wenn es um den französischen Impressionismus geht. Einer der berühmtesten Vertreter dieser Zeit ist Claude Debussy. Er schrieb 24 Préludes, zu je zwölf auf zwei Bänden aufgeteilt. Sechs daraus stellte sie in folgender Reihenfolge zusammen: I/4, II/4, I/8, I/11, I/1, I/7. Dank ihres außerordentlich variablen Umgangs mit der Klaviatur und einer differenzierten Pedaltechnik kreierte sie packend passend zu den Nummern zahlreiche Stimmungsbilder in Form von Natureindrücken (Westwind), sagenhaften Atmosphären (Tänzerinnen Delphis) oder grotesken Szenen (Tanz des Puck).

Genauso angesehen ist Maurice Ravel. Die Sonatine gehört zu seinen populärsten Kompositionen, die es pianistisch in sich hat. Exzellent gelangen ihr hier etwa das motorisch-mechanische Band an 32stel-Noten im ersten Satz, die hinsichtlich Artikulation reichhaltigen Kontraste im Menuett und das hochvirtuose toccatenartige Finale.

Wie aus einem Guss kamen letztendlich die Händelvariationen in B-Dur, op. 24 von Johannes Brahms daher, die zu den belangreichsten dieser Gattung für Klavier gehören. Sie sind mit einer Dauer von nicht ganz 30 Minuten die großformatigste Tonschöpfung unter seinen Klavierwerken und bergen große technische Klippen in sich. Bis hin zur triumphalen Steigerung der finalen vierstimmigen Fuge, das Wesen jeder einzelnen Variation glasklar darstellend, spannte sie einen enormen hochmusikalischen Spannungsbogen von der ersten bis zur letzten Note. Zurecht gab es dafür stehende Ovationen. Zwei Zugaben schlossen sich an. Ein Nocturne Frédéric Chopins und ein Stück Sergei Rachmaninows.

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