Wuppertaler Geschichte Leserevolution im 19. Jahrhundert

Detlef Vonde über die Entstehungsgeschichte von kommunalen Bibliotheken.

Symbolbild.

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Foto: Andreas Weihmayr

Wuppertal. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Lesen von Büchern und Zeitungen geradezu zum Volkssport. Wurden 1889 schon 18 000 neue Buchtitel gedruckt so lag die Produktion 1913 bereits bei 35 000. Damit stand man in Deutschland an der Spitze der Buchproduktion in der Welt. Historiker bezeichneten diesen Trend als „Leserevolution“.

Die „neuen“ Leser waren Frauen, Kinder, Arbeiter und ein Resultat der massenhaften Alphabetisierung. Insbesondere das Leseverhalten änderte sich. Das Publikum befriedigte seine neue Lust auf Gedrucktes in Lesegesellschaften und in Leihbibliotheken, beides Ergebnisse der Aktivitäten von Vereinen, die in Städten und Gemeinden Büchereien und Lesezirkel gegründet hatten.

Die Kommunen hielten sich zunächst zurück. Das stetig wachsende Lesepublikum war anfangs auf die Leihbibliotheken ortsansässiger Buchhändler und Verleger angewiesen, die unter strenger Aufsicht der preußischen Behörden standen. Zumindest in der Theorie. Reaktionäre Zensoren verteufelten solche Leihbibliotheken gern als „moralische Giftbuden“. Ob aber die von den Besitzern solcher Leihbibliotheken verpflichtet einzureichenden, oftmals dickleibigen Kataloge, Bücherlisten und Buchexemplare vom städtischen Personal einigermaßen sorgfältig zu überprüfen waren, erscheint eher ungewiss.

1872 wurde in Barmen eine ziemlich umfangreiche Bibliothek des kommunalen Verwaltungsbüros offiziell der öffentlichen Nutzung zugänglich gemacht. In Elberfeld dauerte es bis 1902, als auch dort Oberbürgermeister Funck eine Volksbücherei eröffnen konnte, ohne allerdings auf Zuwendungen durch den neuen Stadtbücherei-Verein oder auf Spenden betuchter Elberfelder Bürger verzichten zu können.

Die Etablierung kommunaler Bibliotheken war jetzt ganz im Interesse der Obrigkeit und folgte einem trickreichen sozialpolitischem Kalkül: Sie sollten zum einen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des einfachen Volkes verbessern helfen, zum anderen die Verbrechensrate senken, der Trunksucht begegnen und der Sozialdemokratie entgegenwirken.

In Ronsdorf musste der zuständige Landrat 1893 sanften Druck ausüben, bis die sperrige Gemeinde 1899 schließlich Vollzug meldete. Das Ergebnis: Die neue Bücherei startete mit gerade einmal 353 Bänden und einem betreuenden Lehrer im Nebenamt.

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