Leo Stotz entdeckt in Bolivien einen Teil seiner Geschichte

Der Wuppertaler reist für ein Freiwilliges Soziales Jahr in das südamerikanische Land, in dem er vor 19 Jahren geboren worden ist.

Leo Stotz will sich in Bolivien in den landestypischen Gewändern kleiden und auch seiner eigenen Geschichte nachgehen.

Leo Stotz will sich in Bolivien in den landestypischen Gewändern kleiden und auch seiner eigenen Geschichte nachgehen.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Nur ein paar Fotos erinnern Leo Stotz noch an seine frühere Heimat Bolivien: Ein kleiner Junge, der gerade laufen kann, im dicken Woll-Pullover. Eineinhalb Jahre war er alt, als ihn seine Wuppertaler Eltern adoptierten. Seine eigene Mutter hatte ihn direkt nach der Geburt anonym im Waisenhaus abgegeben. Jetzt möchte der 19-Jährige sein Geburtsland kennen lernen.

Schon lange beschäftigt sich der Wuppertaler mit Bolivien. „Wir haben schon immer Konzerte der ,Los Masis’ besucht — deshalb habe ich mir dann eine Panflöte gewünscht“, erzählt Leo Stotz. Nach längerem Üben brachte er erste Töne heraus. Heute gehört er zu einer peruanischen Musikgruppe. Außerdem tanzt er in Duisburg bei den „Amigos de Bolivia“ traditionelle bolivianische Tänze in dem typischen knallbunten Kostüm.

Nach dem Abitur an der Gesamtschule Else Lasker-Schüler entschied er sich, das Land durch ein Freiwilliges Soziales Jahr näher kennenzulernen. In seiner Geburtsstadt Sucre wird er im Kulturzentrum Masis helfen, aus dem auch die gleichnamige Musikgruppe kommt, die er schon mehrfach in Deutschland gehört hatte.

„Ich werde ganz viel über mich und meine Kultur erfahren“, hofft er. Auf jeden Fall gehöre er zur indigenen Volksgruppe der Quechua. Ein Mitarbeiter des Kulturzentrums hat ihm schon angeboten, mit ihm in ein Quechua-Dorf zu fahren. Und er möchte dem Deutschen die Kunst beibringen, aus Coca-Blättern die Zukunft zu lesen.

Für seinen Aufenthalt lernt Leo Stotz gerade die bolivianische Amtssprache Spanisch. Im Kulturzentrum soll er nachmittags Kinder betreuen und ihnen Percussion beibringen. „Dort kann jeder hinkommen, unabhängig von der Volksgruppe. Aber es wird erwartet, dass man in die Schule geht“, erklärt der FSJler. Denn ein Schulbesuch sei bei den bitterarmen Slumbewohnern nicht selbstverständlich und Kinderarbeit weit verbreitet.

Der Name Masis - „Jemand wie Du und ich“ - bezieht sich darauf, dass alle Volksgruppen gleichermaßen akzeptiert sind. Die indigenen Kinder sollen stolz auf ihre Herkunft sein, aber gleichzeitig ein friedliches Miteinander lernen.

Administrative Tätigkeiten und der Kontakt zu Europa werden im Zentrum ebenfalls zu seinen Aufgaben des FSJlers gehören.

Doch Leo Stotz möchte sich auch auf die Suche nach seinen Wurzeln machen. „Ich werde auf jeden Fall mein Kinderheim besuchen — vielleicht finde ich dort die Nonne, die mich betreut hatte“, sagt er. Von seinen Eltern hat er die Geschichte gehört, dass er als Baby fast verhungert wäre; eine Nonne gab ihm daraufhin die dreifache Essensportion. Auch die Richterin, die ihn nach Deutschland vermittelte, möchte er gerne treffen. Dass er auf Verwandte trifft, ist eher unwahrscheinlich — und die Gefahr groß, dass Betrüger sich als solche ausgeben.

In Sucre wohnt er bei einer Gastfamilie. Die Stadt ist nach dem Revolutionsführer Antonio José de Sucre benannt und war früher für ihren Reichtum durch die nahe gelegenen Silberminen bekannt. Mit ihren prunkvollen Gebäuden aus der Kolonialzeit gilt sie als eine der schönsten Städte Südamerikas.

„Auf keinen Fall möchte ich touristisch herumreisen“, betont Leo Stotz. Stattdessen hofft er auf schöne Begegnungen mit den Einheimischen. „Durch meine Herkunft öffnen sich bestimmte Türen ganz anders.“ Und vom Aussehen her lässt er sich von einem Einheimischen nicht unterscheiden. In Sucre möchte sich der junge Mann auch gleich mit einheimischen Trachten einkleiden.

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