Lehrer holt neue Medien in den Unterricht

Auf YouTube und Instagram probieren sich Schüler des Gymnasiums Bayreuther Straße aus. Sie lernen auch, was nicht ins Netz gehört.

Schnelle Kamerafahrten, dann wieder Slow Motion, Detailaufnahmen eines Klaviers und eines Schlagzeugs. Dazu die ersten Klänge des Abba-Liedes „Mamma Mia“, das von einem Chor gesungen wird. Die Kamera bleibt stehen, im Zeitraffer füllen sich die Stühle im Zuschauerraum. Dann scheint die Kamera hinter dem Vorhang der Bühne hervor zu spähen und zeigt das Konzert aus der Perspektive der Sänger. Nach den ersten 50 Sekunden des Films hat der Zuschauer das Gefühl, er wäre gerne dabei gewesen, beim Sommerkonzert des Gymnasiums Bayreuther Straße. Der Film ist kein frontales Abfilmen eines Ereignisses, sondern ein kleines Kunstwerk, das schon fast professionell wirkt. Die Bildästhetik erinnert an Trailer für deutsche Filme, die derzeit häufig in den Kinos zu sehen sind: tolle Bilder kombiniert mit Musik. Erstellt haben den Film aber Schüler der „Social Media AG“.

Lehrer holt neue Medien in den Unterricht
Foto: Andreas Fischer

Wuppertaler

Schulzeit

„Ich bin megastolz“, sagt Michael Müller. Der junge Lehrer für Erdkunde und Sport hat die AG im Sommer zusammen mit acht Schülern gegründet, von denen er wusste, dass sie ein Faible für Film und neue Medien haben. „Ich wollte gerne einen Instagram- und YouTube-Kanal aufmachen, weil Jugendliche diese Medien nutzen“, sagt Müller. Auf der Homepage würde meist nur der Vertretungsplan angeschaut. Mit Instagram oder YouTube könne man mit wenigen Mitteln viele erreichen.

In der Social Media AG machen die Schüler alles, was mit Videos zu tun hat. Von der Aufnahme über den Schnitt bis zum Abmischen liegt alles in der Hand der Schüler. Genauso wie die Ausrüstung: Sie besitzen Foto- und Videokameras, GoPro-Modelle, zwei Drohnen, Mikrofone, Stative, und Objektive - also alles, was fürs Filmen benötigt wird. In der AG planen die Schüler, was sie machen wollen. Die Projekte setzen sie in ihrer Freizeit um.

„Das ist unser Hobby, unsere Leidenschaft“, sagt Noel Hegemann. „Wenn man das, was man gerne macht, auch in der Schule machen kann und Anerkennung dafür bekommt, ist das toll“, sagt Julius Forstreuter. Der 13 Jahre alte Nico Sammito, der auch einen eigenen YouTube-Kanal betreibt, findet: „Man macht es nicht alleine, sondern hat viele Leute, mit denen man zusammenarbeitet. Das macht Spaß.“ Bislang hat die Social Media AG mehrere Filme gedreht, unter anderem vom autofreien Tag, von der Eröffnung des Streetballplatzes an der Nordbahntrasse sowie einen Imagefilm.

„Ich lerne unheimlich viel von den Jungs und sauge auf, was sie machen“, sagt Müller. Das, was für Jugendliche normale Kommunikationsmittel sind, sind für viele jenseits der 25 böhmische Dörfer. „Wir hinken hinterher“, sagt die stellvertretende Schulleiterin Britta Jesinghaus-Eickelbaum. Die Präsenz moderner Medien in der Schule repräsentiere nicht das, was es im Privaten gebe. Deshalb sei die AG toll, weil die Schüler ihre Interessen einbringen könnten.

Im Gymnasium Bayreuther Straße gibt es wie an vielen Schulen in Wuppertal noch kein flächendeckendes W-Lan, das die Schüler frei nutzen können. Das ist Zukunftsmusik: Bis 2020 sollen mit Fördermitteln des Landes mehr als 90 Schulen der Stadt mit dem schnellen Internet ausgestattet werden. Auch im Unterricht hängt der Einsatz von neuen Medien bislang davon ab, wie technikaffin der jeweilige Lehrer ist. Die Landesregierung plant aber, in den Lehrplänen festzuschreiben, wie neue Medien in den Unterricht eingebunden werden.

„Ich habe keine Angst vor den neuen Medien“, sagt Müller. „Ich lerne eher von meinen Schülern als sie von mir.“ Dabei macht sich der junge Lehrer die Interessen der Jugendlichen zu nutze. Auf der anderen Seite vermittelt Müller den Jugendlichen, was im Netz geht und was nicht. „Klatsch- und Tratschgeschichten sollen vermieden werden“, sagt Müller, der die Adminrechte von beiden Kanälen besitzt und auf den Datenschutz achtet.

Die Idee, digital zu dokumentieren, was Schüler machen, ist nicht neu, aber Müller beobachtet, dass es die Schüler wahnsinnig anspornt, wenn Videos, Fotos oder Blogs veröffentlicht werden. Ziel der AG ist es, auch Lernvideos in den YouTube-Kanal einzustellen, in dem Sachverhalte kurz erklärt werden. „Das ist ein attraktives Angebot für Schüler, die im Unterricht schon mit ihren Aufgaben fertig sind“, sagt Müller.

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