Wuppertal droht ein Platz am Katzentisch der großen Politik

Die CDU hat sich mit ihrem Personal für die Wahlen in eine gefährliche Lage gebracht - zum Nachteil für die ganze Stadt.

 Helge Lindh (SPD) könnte vermutlich per Direktmandat in den Bundestag einziehen. Die Position der Stadt Wuppertal in Berlin wird das aber zunächst nicht stärken.

Helge Lindh (SPD) könnte vermutlich per Direktmandat in den Bundestag einziehen. Die Position der Stadt Wuppertal in Berlin wird das aber zunächst nicht stärken.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Wuppertal. Hans-Dietrich Genscher (FDP), Rudolf Dreßler und Wilfried Penner (SPD) und zuletzt Peter Hintze (CDU): Wuppertal war in den vergangenen Jahrzehnten immer mit politischen Schwergewichten in Berlin vertreten. Das hat sich mit dem frühen Tod Peter Hintzes bereits verändert. Und nichts deutet derzeit darauf hin, dass Wuppertal in Berlin politisch wieder Land gewinnen könnte. Aber auch in NRW wird die Stadt politisch Federn lassen, wenn nicht das vermutlich Unmögliche noch möglich wird.

Hauptursache des Phänomens ist die Wuppertaler CDU. Sie hat in ihrem Kreisvorsitzenden Rainer Spiecker zwar einen honorigen Politiker und leidenschaftlichen Wuppertaler auf den Schild für die Bundestagswahl gehievt. Aber die Gefahr ist sehr groß, dass er den Wahlkreis gegen den SPD-Kandidaten — diesmal Helge Lindh — nicht gewinnt und der Listenplatz nicht ausreicht, das Mandat von Peter Hintze zu übernehmen. Der ehemalige Generalsekretär war stets über die Liste abgesichert. Spieckers Fallschirm hingegen könnte kleiner. Die Entscheidung darüber fällt am 18. Februar.

Dass in Helge Lindh ein zwar engagierter, aber jenseits Wuppertals extrem unbekannter Politiker vermutlich per Direktmandat in den Bundestag einziehen wird, dürfte die Position der Stadt in Berlin zunächst nicht stärken. Im Bundestag ist es in der Regel so, dass sich junge Neulinge ganz hinten anstellen. Das ist ungünstig, wenn in der großen Politik Entscheidungen getroffen werden, die sich mehr oder weniger direkt auf die Städte auswirken. Wuppertal beispielsweise kämpft um ein Pina-Bausch-Zentrum im Schauspielhaus. Da ist es von Bedeutung, ob der Bundestag für eine dauerhafte finanzielle Förderung den Daumen hebt oder senkt. Peter Hintze konnte mit Namen und Ansehen für das Projekt kämpfen. Der andere Bergische Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt (CDU), hat sich dagegen bisher nicht als Kämpfer für die hohe Kultur in Wuppertal exponiert. Im Flieger des transatlantischen Beziehungspflegers der Bundesregierung ist offenbar kein Platz für Ballett.

Reichlich trist sind die Aussichten der Wuppertaler CDU für den NRW-Landtag. Hier hat sie die ungewöhnliche Konstellation erzeugt, dass Rainer Spiecker im Wahlkreis wider Erwarten nicht gegen Dietmar Bell von der SPD antritt, weil er ja in den Bundestag will. Auf der Landesliste der CDU steht er aber auf Platz 27. Den Platz kann Spiecker aus wahlrechtlichen Gründen nicht mehr abgeben. Aber antreten kann er das Mandat eigentlich auch nicht, wenn Platz 27 reichen sollte. Er hat sich ja für den Bundestag entschieden.

Dass überdies hinter den Kulissen ein seltsames Geschacher um die Rolle als Direktkandidat gegeben hat, spricht ein bisschen für den Zustand der Partei in Wuppertal. Abgesehen davon, dass der Kandidat einen Teil der Wahlkampfkosten privat begleichen muss — die Rede ist von 5000 Euro — verlief die Suche nach einem Ersatz für Rainer Spiecker im Wahlkreis Wuppertal II alles andere als reibungslos. Zunächst hatte in Ralf Geisendörfer ein ehemaliger Ratsherr und alter Haudegen der Partei angekündigt, seinen Hut in den Ring zu werfen. Dann tauchte wie aus dem Nichts Robert Stein aus Hamm auf. Und als alle schon dachten, die CDU gehe mit diesem ehemaligen Piraten ins Rennen, traten auch noch die Vorsitzenden der Jungen Union sowie der Mittelständischen Vereinigung, Björn Brick und Michael Lauer, zum Wettrennen um eine schier aussichtslose Kandidatur an. Denn dass einer der Dreien in der Lage wäre, den Wahlkreis in der Stadtmitte gegen den roten Platzhirschen Bell zu gewinnen, gilt als sehr unwahrscheinlich. Die Tradition spricht dagegen.

Mithin ist nicht ausgeschlossen, dass Wuppertals Christdemokraten am 14. Mai, wenn der Landtag gewählt wird, zwischen allen Stühlen auf dem Hosenboden säßen. Es wäre allerdings nicht nur peinlich für die Volkspartei CDU in der siebtgrößten Stadt Nordrhein-Westfalens, wenn sie nicht mehr im Landtag vertreten wäre. Das hätte auch ganz andere Folgen. Mandatsträger finanzieren die Partei zu einem guten Teil mit. Keine Mandate bedeutet keine Mehreinnahmen. Das ist schlecht für eine Partei, die immer noch verschuldet ist, weil sie in grauer Vorzeit im Versuch, das Barmer Rathaus zu erobern, deutlich über ihre Verhältnisse gelebt hat. So jedenfalls wird es in Parteikreisen kolportiert.

Auch für die Stadt wäre das Scheitern der CDU bei der Landtagswahl vermutlich von Nachteil, auch wenn sie künftig auf jeden Fall immerhin noch von drei SPD-Abgeordneten vertreten werden wird. Doch Andreas Bialas, Dietmar Bell und Josef Neumann haben in den vergangenen Jahren nicht gerade Bäume ausgerissen, wenn es darum ging, Wuppertal von den Folgen der Politik zu verschonen, die Rot-Grün im Land macht. Denn auch in NRW stimmt: Bund und Land entscheiden, die Kommunen leiden. Das gilt beispielsweise für die Kosten der gemeinsamen Beschulung von Behinderten und nicht behinderten Kinder ebenso wie für die Kosten, die durch den Flüchtlingszustrom entstanden sind. Da helfen auch die Scheinerfolgsmeldungen nicht, wenn das Land nach einem in der Regel festgelegten Schlüssel eigenes oder Geld vom Bund auf die Kommunen verteilt. Es ist immer zu wenig. Daran haben die Drei von der SPD in den vergangenen fünf Jahren nichts ändern können.

Wenn Wuppertal in Zukunft dazu am Katzentisch der großen Berliner Politik Platz nehmen muss, weil nur noch Vielflieger und Neulinge sie in Berlin vertreten, dann wird sich daran voraussichtlich nicht viel zum Besseren wenden.

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