WZ TV: Wuppertal zieht die Tangoszene an

Das argentinische Lebensgefühl ist nicht nur etwas für Melancholiker. Was ist dran an den Vor(ur)teilen?

Wuppertal. Der typische Tango-Tänzer ist Melancholiker, seine Begleiterin auch nicht wesentlich fröhlicher. Auf dem Tangoparkett scheinen die Rollen klar verteilt zu sein: Frauen sind Männern schrittweise ausgeliefert. So weit das Vorurteil. Doch zum Glück gibt es neben theoretischen Vorstellungen auch noch praktische Übungen. Und die zeigt Christian Schmidt seinen Schülern im Estudio de Tango. Dabei wirkt der Tanzlehrer im Gespräch so munter, dass das Klischee vom ewig schwermütigen Tangotänzer schon deshalb gar nicht stimmen kann. Schmidt hat ja auch keinen Grund, um traurig zu sein.

Im Gegenteil: Wuppertal ist ein echtes Tango-Paradies, und das hat sich herumgesprochen. "Es kommen viele Leute von außerhalb - aus ganz NRW, sogar aus den Niederlanden." Schmidt weiß auch, warum. Wuppertal hat einen deutlichen Vorteil: ein breites Angebot. Und vor allem: "Hier gibt es ein nettes, legeres Publikum. In Köln ist alles viel reglementierter." In Argentinien sowieso. Im Vaterland des Tango "käme eine Frau nie darauf, einen Mann aufzufordern".

In Wuppertal schon. Ilona Rios ist das beste Beispiel. Die Tanzlehrerin, die Einsteigern im Café Ada auf die Sprünge hilft, hat eine vergleichsweise poetische Erklärung für den Tangoboom im Tal: "Er ist ein sehr sinnlicher Tanz und passt perfekt zu Wuppertal."

Auch Luis Rodriguez weiß, was die Stadt so einzigartig macht: "Berlin ist größer. Aber in Wuppertal kann man jeden Tag Tango tanzen." Daran ist er alles andere als unschuldig: Der Inhaber des Café Tango hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht.

Sicherlich auch aus diesem Grund: Wenn sich die Szene in seinem Salon trifft, gibt es bewegende Momente, aber kein Schubladen-Denken. "Vom Studenten bis zum Rentner, vom Akademiker bis zum Hartz-IV-Empfänger ist alles vertreten." Auf der Tanzfläche sind sie sich so nah wie sonst selten. Oder sinnlich gesagt: "Man kommt in den Salon, sieht jemanden, möchte mit ihm tanzen, ihn in den Arm nehmen, riechen, spüren, fühlen."

Intensiv, aber auch taktvoll auf Tuchfühlung zu gehen, ist übrigens keine Frage des Alters, wie Alex Airaudo (Café Ada) betont: "Langsam kommt eine neue Generation. Die Jungen entdecken wieder den Tango." Und das macht Spaß - offensichtlich nirgendwo mehr als in Wuppertal.

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