Weltenbummler machen aus dem Konzert ein Blues-Festival

Das städtische Orchester überrascht mit einem etwas anderen Sinfonie-Programm.

Wuppertal. Draußen klirrende Kälte, drinnen wärmt fetzige amerikanische Musik auf. Als "Weltenbummler" präsentiert sich das Wuppertaler Orchester bei seinem 6. Sinfoniekonzert in der Stadthalle. Und das liegt nicht nur am Programm. Dirigentin Andrea Quinn ist gebürtige Britin, und Solist Robert Bonfiglio stammt aus Iowa.

Mitgebracht hat er sein Instrument für das "Konzert für Mundharmonika und Orchester", das der Brasilianer Heitor Villa-Lobos 1955 geschrieben hat. Und wer glaubt, die Mundharmonika sei für Wandervogel- und Lagerfeuer-Romantik prädestiniert, staunt nicht schlecht, was der Virtuose seiner kleinen, handlichen Harmonika an vielfältigen Tönen, Akkorden und Klängen entlockt. Äußerst gut fügt sich das Zungeninstrument in den Orchesterklang.

Mit den einzelnen Holzblasinstrumenten ficht es feurige oder sanfte Dialoge aus. Es kann traurig klagen und heiser tönen, kräftig laut und vorsichtig leise in schwindelnden Höhen klingen. Es produziert schlingernde Glissandi und große Tonsprünge im hochvirtuosen Solo. Im letzten Satz mischt sich brasilianische Volksmusik mit Takt- und Rhythmuswechseln zu einer neuen Tonsprache. Das Publikum ist begeistert, aber als Bonfiglio gesteht, dass er als Blues-Spieler begonnen habe, gibt es nach seiner ersten Zugabe kein Halten mehr. Immer neue Instrumente zaubert er aus den Taschen, immer neue Rhythmen stampft er zum Blues-Grund, überredet gar die Celli zur Einton-Begleitung. Da mutiert das Sinfoniekonzert zum Blues-Festival.

Dabei hatte es mit George Gershwins "An American in Paris" schon locker begonnen. Äußerst präzise lotst die zierliche Dirigentin das Orchester durch die Tücken von Gershwins leicht und schwungvoll klingender und doch so schwieriger Musik.

Jazz-Anklänge, etwa im bekannten Thema, Collagen und Zitate birgt das reiche Werk von 1928, das die Stimmung beschreibt, die ein Amerikaner im sonnigen Paris erlebt: Freundlich schwingt eine Melodie herauf, die der Verkehr bald in Lärm-Clustern überdeckt; sogar das Hupen der Taxis kann man ausmachen.

Die Begeisterung für den Schwung der Musik kann Quinn Musikern und Zuhörern gleichermaßen vermitteln - eine ungewöhnliche Frau ist diese zupackende Dirigentin. Kein Wunder, dass sie Joan Towers stürmische "Fanfare for a Uncommon Woman" aufs Programm gesetzt hat. Samuel Barbers erste Sinfonie op.9 (1936) mit energischen und kantablen Themen und einer oft wagnerprächtigen Instrumentierung beschließt das etwas andere Sinfoniekonzert fulminant.

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