Viel Lokalkolorit bei „Anatevka“: Eine Augenweide in Cronenberg

Ralf Budde inszeniert das Musical im Atelier Unterkirchen.

Wuppertal. Der Fiedler steht als Schatten-Projektion auf dem Dach, und auch sonst ist das Musical „Anatevka“ im TiC-Atelier eine Augenweide. Kerstin Faber hat sich bei Bühnenbild und Ausstattung selbst übertroffen und trotz der engen Bühne verschiedenste Räume für die Familien aus „Anatevka“ geschaffen.

Alt und mitgenommen wirken die Bretter, aus denen grob die Hütten zusammengebaut sind. Die ganze linke Wand besteht noch aus Hausfassaden und wird mit bespielt. Auf der Bühne formt ein Kasten mit zwei Türen abwechselnd die Küche von Milchmann Tevje, die Kneipe und die Schneiderei von Mottel. Die Kostüme und Requisiten sind liebevoll aufeinander abgestimmt — nach der Tradition der altrussischen Schtetl.

Hans-Willi Lukas spielt den Tevje mit aller nötigen Verschmitztheit und Gottergebenheit. Überzeugend diskutiert er mit Gott, ob dieser ihm nicht ein kleines bisschen von dem Laster des Reichtums überlassen könne, oder warum sein lahmendes Pferd nicht auch auf drei Beinen die Milch ausfahren könne.

Regisseur Ralf Budde trennt durch Lichteffekte sehr deutlich die inneren Monologe des hin- und hergerissenen Tevje von den Hauptszenen. Mit dem richtigen Tempo der Gesangspartien steht Hans-Willi Lukas allerdings auf Kriegsfuß. Auch die übrigen Darsteller überzeugen mehr durch ihre schauspielerischen als durch ihre gesanglichen Fähigkeiten.

Voller Intensität und mit vor Erregung quietschender Stimme stellt Isabelle Rotter die Heiratsvermittlerin Jente als komische Alte dar. Ilka Schäfer kommandiert als Tevjes Frau Golde ihre Töchter und ihren Mann durch die Gegend, eher ein schlecht gelaunter Drache als eine liebevolle Mutter.

Mirca Szigat, Sophie Schwerter und Jennifer Pahlke spielen sehr schön die drei Töchter von Tevje, Henning Flüsloh, Andreas Wirth und Robert Flanze deren Verehrer. Zusätzlich übernehmen die jungen Darsteller auch noch — versehen mit Gartenzwerg-Bärten — die tanzenden Männer der Hochzeitsgesellschaft und die im Traum auftretenden Verstorbenen. Wolfgang Sprotte vervollständigt das Ensemble als Metzger Lazar Wolf.

Sehr passend interpretiert Budde die gesichtslose Staatsgewalt in Form zweier Wachtmeister. Nur von hinten sind die Männer in ihren langen, grauen Mänteln und russischen Mützen zu sehen, wenn sie auf die Hochzeitsgesellschaft einprügeln und den Befehl zur Ausreise überbringen. So ist die Inszenierung mit dem bunten Lokalkolorit und der mitreißenden Musik trotz mancher Schwächen durchaus sehenswert.

“ „Anatevka“ dauert zweieinhalb Stunden mit Pause. Weitere Vorstellungen: 18. bis 21. Oktober und 25. bis 28. Oktober, 20 Uhr (sonntags um 19 Uhr). Karten: Telefon 47 22 11.

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