Tanztheater in Monaco: Die Prinzessin und das Frühlingsopfer

Was spielt sich ab, wenn Prinzessin Caroline auf die Kulturbotschafter aus Wuppertal trifft?

Wuppertal/Monaco. Was haben ein Auftritt von Prinzessin Caroline von Monaco und eine Vorstellung des Wuppertaler Tanztheaters gemeinsam? In beiden Fällen ist alles bestens durchchoreographiert. Kommt beides auch noch zusammen, ist die doppelte Dosis an Stil garantiert.

Am Freitag war es so weit: Das Wuppertaler Tanztheater, das zum ersten Mal in Monaco gastierte, traf auf Ihre Durchlaucht und ihren kleinen mobilen Hofstaat. Denn eine Prinzessin kommt nicht allein — jedenfalls nicht zu einem offiziellen Termin. So weiß die 53-Jährige einen erlesenen Kreis hilfreicher Begleiter an ihrer Seite: aufgeweckte Angestellte, die das Hofprotokoll sicherlich im Schlaf beherrschen und der Prinzessin aufmerksam den Weg durch das Grimaldi Forum weisen. Es sind Menschen, die wissen, wo es lang geht, aber sich selbst nicht zu wichtig nehmen — und schon gar nicht in den Mittelpunkt stellen.

Denn im Zentrum des Interesses stehen andere: allen voran die Prinzessin (Foto: Archiv), aber vor allem auch eine Verstorbene. Pina Bausch ist der Dreh- und Angelpunkt, der nach wie vor alles zusammenhält. Und weil anzunehmen ist, dass niemand mehr über die Tanz-Ikone (1940-2009) weiß als ihr Sohn, stellt Jean-Christophe Maillot, der künstlerische Leiter des ausrichtenden Festivals (Monaco Dance Forum), der Prinzessin auch als erstes Salomon Bausch vor.

Ehe sich der 29-Jährige versieht, wandert er auch schon mit seiner blaublütigen Gastgeberin durch die Rolf-Borzik-Schau (siehe Artikel unten). Dabei nimmt die Prinzessin eine Haltung ein, die jede Ballett-Lehrerin glücklich machen dürfte: Majestätisch aufrecht steht sie vor den einzelnen Bildern, die sie im Foyer konzentriert begutachtet — in lilafarbenen Stiefeln und einer schwarzen modischen Jacke.

Wer erwartet hatte, dass die Prinzessin als Schirmherrin des Festivals womöglich „nur“ eine kurze Audienz gewährt, irrt sich gewaltig — so, wie die frühen Kritiker von Pina Bausch daneben lagen, als sie der späteren Star-Choreographin am Anfang ihrer Karriere keinen Erfolg vorhersagten. Statt nur kurz „Bonjour“ zu sagen, gibt sich die Prinzessin — die Deutsch versteht — so aufmerksam wie ihre diskreten Begleiter: Sie nimmt sich Zeit, mustert die Exponate intensiv und stellt interessiert Fragen. Doch was wirkt wie spontanes Interesse, ist in Wahrheit minutiös geplant.

Während Salomon Bausch von seiner Mutter spricht, bereiten die Begleiter der Prinzessin heimlich, still und leise die nächsten Schritte vor: Ihre „Waffen“ sind Funkgeräte, mit denen sie das weitere Vor-Gehen untereinander abstimmen. Unaufdringlich, aber doch bestimmt lotsen sie die nächsten Gesprächspartner in den Dunstkreis der Prinzessin und sorgen dafür, dass der „Fahrplan“ der Fürstenfamilie strikt eingehalten werden kann.

So entsteht ein fließender Übergang — wie in einem Stück von Pina Bausch. Nachdem Caroline von Monaco Schritt für Schritt mit Salomon Bausch durch den ersten Raum geschlendert ist, führt Walter Vogel sie durch einen zweiten: Auch seine angrenzende Ausstellung mit Pina-Bausch-Porträts zieht die Blicke der Prinzessin auf sich.

Anne Linsel steht ebenfalls auf ihrer Liste: Die Wuppertaler Filmemacherin wartet bereits vor dem Kinosaal auf ihren Ehrengast, der — dezent geleitet von ihren Helfern im Hintergrund und immer noch in majestätisch-aufrechter Haltung — Kurs auf die samtweichen roten Sessel nimmt, um neben Linsel zu sitzen und ihren „Tanzträume“-Film zu begutachten. Studenten, die ebenfalls eingeladen sind, um den Film zu sehen, kennen das Protokoll offenbar weniger gut: Einige kommen zu spät und huschen locker-flüsternd in den bereits abgedunkelten Saal. Am Ende ist die Prinzessin die erste, die nach der Filmvorführung klatscht. Sie dankt Linsel für den „wunderbaren starken Film“ und hat noch etwas auf dem royalen Herzen: Sie wünscht sich eine DVD.

„Sie war sehr berührt“, sagt Jean-Christoph Maillot später. „Sie hatte Tränen in den Augen.“ Vor allem der soziale Aspekt des gefilmten „Kontakthof“-Projektes, die Gruppenbildung der Jugendlichen aus verschiedenen Schichten, habe sie beeindruckt. Denn: Ihre Durchlaucht, so erklärt Maillot, engagiere sich — in aller Stille — für Projekte, die Kindern in Not helfen.

Ohne großes öffentliches Aufhebens zu machen, geht es auch weiter: Die Gäste aus Wuppertal werden nach der anschließenden Tanz-Vorstellung („Café Müller / Das Frühlingsopfer“) ins Restaurant geleitet. Beim Festessen mit Prinzessin Caroline und ihrem Bruder, Fürst Albert, gibt es vor allem ein Thema, das beide interessiert: das Werk von Pina Bausch und die Arbeit des Tanztheaters nach ihrem Tod.

Erst kurz vor 1 Uhr endet ein ganz normaler Abend im Leben der Prinzessin — und ein ganz ungewöhnlicher Tag im Leben der Wuppertal-Botschafter. Kein Tänzer hätte ihn besser choreographieren können.

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