Von der tödlichen Liebe über die Maßen

Der siebte #Schnappschuss ging im Brautmodengeschäft „Pretty Women“ über die Bühne.

Von der tödlichen Liebe über die Maßen
Foto: Andreas Fischer

Was passiert, wenn Schauspieler ins Brautmodengeschäft gehen? Zu Herzen gehende Romantik und Träume aus weißem Taft und Tüll? Verpackt in kitschige Lyrik über ewige Liebe, Glückseligkeit und Heirat? Mitnichten und viel besser. „Ich liebe dich über die Maßen“, sagt Julia (alias Lena Vogt) ziemlich am Anfang eines Kurzbesuchs des Wuppertaler Ensembles bei „Pretty Woman“ an der Aue und beweist wenige Momente später, dass sie für Heinrich (alias Thomas Braus) sterben würde. Der erste von mehreren Toden, die in der #Schnappschuss-Inszenierung am frühen Mittwochabend auf unterhaltsame Art und Weise gestorben werden.

Schließlich heißt Heinrich Blaubart mit Nachnamen. Hat mithin den Ruf des rätsel- und zwanghaften Frauenmörders zu verteidigen. Charles Perrault schrieb seine Geschichte 1697 auf. Über die Jahrhunderte wurde sie mehrfach adaptiert, in Märchen, Opern, Musikstücke mehr oder weniger frei übertragen, auch Pina Bausch schuf ihre Version.

"Schnappschuss" - Das neue Format der Wuppertaler Bühnen
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Das Theaterstück ,„Blaubart — Hoffnung der Frauen“ schrieb Dea Loher 1997. Die mehrfach ausgezeichnete Autorin lässt Blaubart töten, was er liebt. Tatkräftig unterstützt wird er dabei durch die Frauen, die für ihre „Liebe über die Maßen“ sterben würden, Erlösung im Tod durch Blaubart suchen, ihn direkt auffordern: „Erschieß mich“.

Die Wuppertaler Schauspieler interpretieren Lohers Text auf ihre Weise, nutzen ihn als Basis für sechs kurzweilige, durch Musik („Baby, come back to me“) unterbrochene (Schnappschuss-)Szenen. Julia oder Anna erfleht Küsse und Liebe von Heinrich, der ihr hilflos, kühl, fast arrogant auf dem pinkfarbenen Laufsteg des Brautmodengeschäfts gegenübersteht. Der sich nach jeder Szene um ein Kleidungsstück mehr in einen Bräutigam verwandelt, während die Frau, die aus der Garderobe auf ihn zutritt, immer weniger anhat. Ein Duell, in dem sie ihn bedrängt, er sich gegen ihre Liebe wehrt, weil er ahnt, dass er sie am Ende töten „muss“. „Heinrich, mir grauts vor dir!“, möchte man mit Goethe rufen.

Lena Vogt und Thomas Braus inszenieren das so gar nicht liebevolle Bindungsspiel gekonnt, mit reduziertem Körpereinsatz. Die Fantasie der Zuschauer darf mitspielen. Erst recht bei der Auflösung, die in der Umkleide, den Augen entzogen, stattfindet. Wenn Heinrich endlich zu Julia sagt: „Ich liebe dich über die Maßen.“ Und sie ihm die kalte Schulter zeigt.

Der siebte Kurzauftritt des Schauspielensembles kam auf Einladung von Annette Sacher von Pretty Women zustande. So wie viele andere schon ihre Räume für ein Schnappschuss-Gastspiel angeboten haben. Klar, dass das Format in der nächsten Spielzeit fortgesetzt wird, verrät Pressesprecher Julian Rasmus Grüter. Der nächste und letzte Auftritt vor der Sommerpause steht am 9. Juli in der Schwebebahn an. mws

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